Volltext: Ausstellung Lovis Corinth

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reiche Platten, die sich wie Wiedergaben von Gemälden ausnehmen. 
Sie stufen sich in großen und kleinen Flächen von hellem Grau 
zu tiefstem Schwarz. Kein Fleckchen wird von der Arbeit der 
Radiernadel ausgelassen. So liegt auch auf einem Gemälde überall 
Farbe auf dem Feinwandgrund. Der Aufwand an technischen 
Mitteln und die Inszenierung sind ziemlich anspruchsvoll; die 
Handlung wiegt nicht sehr schwer; die Arbeiten sind harmloser 
als sie aussehen. Komisch wirken weniger die Dinge, die erzählt 
werden, als etwa der dreimal wiederkehrende Gegensatz: die 
aufgeregte Beweglichkeit des Josef und die hieratische Starrheit 
des Königspaares und der Wächter; die kümmerliche Not der 
Bürgerschaft von Weinsberg und der satte Ernst der zusehenden 
Soldaten, der Reiter und Pferde; die gutmütige Fässigkeit des 
großen Alexander bei dem dozierenden Diogenes und die Würde 
der Feibgarde und der klassischen Architektur mit dem halb 
abgeschnittenen Reiterdenkmal. Die Kreuzabnahme aus dem 
gleichen Jahr 1894 drängt auf kleinem Raum Figuren, Gebärden 
und Gesichter noch näher vor schweren ^ dunkeln Flächen zu 
sammen. Sie ist so kompakt gedacht, daß der Künstler sie ohne 
weiteres zu einem Gemälde vergrößern kann (1895). Technisch 
hatte er mit diesen Arbeiten als Graphiker sich ausgewiesen: 
Er kann, wenn er will, radieren so gut wie irgend einer. Zu radieren, 
wie keinem außer ihm es gegeben ist, verschob er einstweilen auf 
später. 
Im Jahre 1900 zog Corinth nach Berlin. Wie in München 
Otto Eckmann, befreundete sich hier mit ihm der Radierer Hermann 
Struck. Corinth erzählt, wie er von diesem nochmals Anleitung 
über alles Technische, kalte Nadel, Ätzen usw., aber auch, 
als unmittelbare Aufforderung zur Tat, einen wertvollen Diamanten 
geschenkt bekommen habe. «Ganz feine Kaltnadelarbeit» wird 
nun für einige Zeit das Attribut der Blätter, die von 1903 an 
nach und nach wieder zu erscheinen beginnen. Der Jünglingsakt 
von 1905, die stehenden Frauen von 1910, der Prophetenkopf 
und die Schweine von 1911 zeugen in der Ausstellung von dieser 
zweiten, gründlicheren Auseinandersetzung mit der Radierung 
und ihren verschiedenen Verfahren. Hier ist nun alles gelockert, 
der Gegenstand aus weiterem Zusammenhang gelöst, und nicht 
weichlich, aber doch ziemlich behutsam angefaßt. Die Blätter
	        
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