IX
des „Meister mit der Nelke“, der beiden Hans Leu und ihrer Werk
stätte, des Hans Fries, sowie andere Gruppen und eine Reihe von
einzelnen Tafeln. Es ist hier nicht der Ort, sie auszubreiten.
Wohl aber darf auf eine für die ganze Ausstellung leitende und
grundlegende Idee hingewiesen werden, die ihr, wenn örtliche und
zeitliche Auswahl ihren Rahmen bilden, und sie nach außen hin
umschreiben und Zusammenhalten, das eigentliche Rückgrat gibt:
die Lösung der Malerei von der Fläche und aus dem gebundenen
Stil der Wand- und Buchmalerei, die Entwicklung des Tafel
bildes, der modernen Bildform, an die wir heute fast ausschließ
lich denken, wenn von Malerei die Rede ist.
Diese Entwicklung ist das allernächste Ergebnis der Ent
wicklung des Altars. In ihren Anfängen und auf ihrer Höhe ist
die mittelalterliche Malerei Dekoration und Symbol. Als Schmuck,
nicht als Selbstzweck, füllt sie die Kirchenwand, das Glasfenster
und die Buchseite. Und wie hier der Form nach, so ist sie auch
Dienerin dem Inhalt nach, schönes Kleid für den an sich selbst
schon bestehenden religiösen Begriff, für den vor ihr schon vor
handenen und auch außer ihr lebendigen Stoff einer biblischen
Erzählung oder einer Legende. Die Bilder wurden nicht als Be
obachtungen am sogenannten wirklichen Leben von außen herein
getragen, sie lebten, bereits vom inhaltlich Unwesentlichen ge
reinigt, schon in den Worten des Buches und der kirchlichen Hand
lung und stellten sich als unerhört abgekürzte, aber mit innerer
Bedeutung vollständig durchdrungene Elemente dem Künstler zur
Verfügung. Und dieser mühte sich in seinen Schöpfungen um
eine ebenso starke Vereinfachung und Beredtheit in der Zeichnung
und der unabhängig von aller Beobachtung an der „Wirklichkeit“
nur auf ihre Schmuck- und Ausdruckskraft hin gewerteten und
verwendeten Farbe; dies alles innerhalb der Schranken, welche die
Architektur eines vom Baumeister gefügten Raumes oder der von
den Schriftzeichen gegliederten Buchseite auferlegte.
Der kleine hellgrüne Saal im zweiten Stockwerk enthält einige
Bilder, in denen diese Auffassung noch herrscht, wenn sie auch,
bereits von der Wand und vom Buch losgetrennt, sich äußerlich
in der Form des Tafelbildes zeigen, das überall und nirgends zu
Hause sein kann: die als „Basler Schule“ angemeldete „Steini
gung des Stephanus“ (Nr. 17), die die Herkunft vom dekorativen,