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völlig in der Fläche bleibende^ Wandbild überzeugend erkennen
läßt; die beiden oberdeutschen Tafeln mit den kleinen Szenen aus
der Passion (Nr. 163/64), kräftige, einfach kolorierte Umriß
zeichnungen; die Geschichte vom reichen Mann und dem armen
Lazarus (Nr. 33) mit eng zusammengedrängter Handlung und
warmem farbigem Schmuck, kostbar wie eine Buchminiatur; die
bei größter „Unwirklichkeit“ der Farbe und des Vorganges so
ernst-innige Nürnberger Madonna auf der Rasenbank (Nr. 170);
oder der kleine Altar aus Mariastein (Nr. 208), wo die äußere Form
des Flügelaltars wohl gewonnen ist, die künstlerische Form der
Bilder, die ihn bedecken, aber noch die feierlich große des monu
mentalen Wandgemäldes bleibt. Doch ist es hier, auf den einfachen
Feldern des frei in der Kirche stehenden Altars, wo sich die Malerei
immer mehr vom Zwang einer anfänglich für Gesinnung und Form
bestimmenden Verbindung mit andern Formen löst und ihre eigene,
neue Ferm entwickelt.
Die Bilder in dem Kirchenraum der heiligen Familie des
Konrad Witz (Nr. 217) zeigen noch wenige Figuren vor neutralem
Goldgrund, streng nebeneinander gereiht. In seinen eigenen Altar
tafeln zerstört er die Fläche und den stillen Frieden und läßt die
heiligen Gestalten leiblich aus ihrem Rahmen heraustreten oder
umgibt sie mit einem Stück der bunten und vielgestaltigen Welt,
wie man sie überall sehen und greifen kann. Die Buntheit bleibt
zwar kühl und stahlhart. Der sinnlich-weiche Schmelz eines Hans
Fries und, eines Meisters von Meßkirch ist die Errungenschaft der
zwei folgenden Generationen, die auch wieder ungleich weiter als
Witz von der religiösen Hingabe der Primitiven sich entfernt
haben und mit dem religiösen Gefühl ein noch stärkeres Welt
gefühl verbinden. Die Passionsszenen werden drastischer, die
Aufgaben des Kirchenbildes vom Maler noch ungehemmter als
Gelegenheit zur Durchdringung und Erfassung der Landschaft und
des ganzen reichen Lebens benutzt. Nicht nur in der Werkstätte
der beiden Leu entsteht ein Hieronymus um der Wildnis Willen,
und nicht nur bei Hans Baidung ein Madonnenbild als Anlaß, nicht
die Himmelskönigin und den Welterlöser, sondern eine irdische
Mutter mit ihrem Kinde zu malen. Das Bild tritt aus dem Buch
heraus und steigt von der Wand herunter auf den Altar, der im
hohen Chor von Licht umflossen und aus architektonischer Bin-