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Tal liegt noch im Halbdämmer der Nacht. Aber aus
den bellen Zacken der Schneefirnen erglänzt schon das
funkelnde Licht der Allvergolderin Sonne. Bald wird
sic auch die riesige Talmulde mit lebendigem Lichtglanze
durchrieselt haben. Dort beginnts bereits sich zu regen.
Weiber mit Tragleisten kommen einen treppenartigen
Rasenpfad herab, um sich zur Arbeit zu begeben. Ein
Bauer treibt mit Schlägen sein Kalb an. Ueber das
Weideland verteilt sich eine Kuhherde und das größte
und mächtigste Tier derselben steht vorn an einem blauen
Tümpel, in dem sich der verblassende Mond noch spiegelt
und brüllt. Vogelschwärme durchziehen die Luft und
ttnter einer mächtigen Lärche, die ihr breites grünes Ge
zweige wie einen Baldachin in den stnmpfblauen Him-
man denkt an
ein mütterliches
inel reckt, thront wie eine Madonna
Raffaels »Madonna, della sedia“
Weib aus dem Volke, ihr Kind auf dem Schoß.
Das ist alles so einfach und schlicht, daß man es
hundeitmal glaubt gesehen zu haben und hundertmal
noch wieder sehen zu können. Aber es ist auch so groß
und bedeutsam, wie inan es niemals gesehen hat und
niemals hoffen darf, es wieder sehen zu können. Die
Landschaft ist voller Leben; aber alles Leben ist bloß
Ausdruck der Landschaft. Das Figürliche ist hier (wie
auch auf den beiden andern Bildern) kleiner behandelt
als irgend sonst auf Schöpfungen Segantinis. Es ist
nicht Hauptnote, sondern mitschwingender Ton. Und
das eben weckt in uns das Gefühl von der Größe und
Unendlichkeit der Natur. All dieses Leben sprießt in
ihr auf und wird in'ihr aufsprießen bis in alle Ewig
keit. Darin liegt allein schon das Symbol, und nur
mit ganz diskreten Zügen, wie nebenbei, brauchte der
Künstler den symbolischen Charakter seiner Nalurvision
iin einzelnen zu verstärken, wie durch die Figur jener
brüllenden Kuh, gleichsam der Verkörperung der Brunst
kraft, und durch die Erscheinung der Mutter, in der
abermals die Liebe als die Erhalterin des Lebens ge
feiert wird.