Volltext: Vincent van Gogh, Cuno Amiet, Hans Emmenegger, Giovanni Giacometti

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VINCENT VAN GOGH. 
Als sein Name bekannt zu werden begann, war er längst 
tot. Bei seinen Lebzeiten hat niemand ausser den wenigen 
Freunden von ihm gewusst. Er selbst hat niemals den 
Versuch gemacht, hervorzutreten, oder gar seine Bilder 
zu verkaufen. Er signierte sie nicht einmal, setzte höchstens 
dann und wann seinen Vornamen darunter — wie unter 
einen Brief, und verschenkte sie. Von der Zukunft erhoffte 
er nichts — und als er fühlte, dass er am Ende war, ging 
er. Als der Doktor ihn mit der Kugel im Leibe fand 
und nach dem Warum fragte, zuckte er die Achseln. 
Sein Werk gibt ihm Recht. Wer die letzten Arbeiten 
aus Arles und Auvers-sur-Oise sieht, fühlt, dass der Mensch, 
der dieses schuf, auf der Höhe und am Ende war. Er 
hatte den Gipfel erreicht, gesagt, was er zu sagen hatte; 
so musste er gehen. Mit jedem Werke gab er ein Stück 
tiefsten Lebens, — immer brennender, konzentrierter, reicher, 
je weiter er kam; als er das letzte gegeben hatte, machte 
er ruhig, wissend, selber ein Ende. 
In der Tragik dieses Lebens liegt die Tragik aller 
Schaffenden. Van Gogh war nicht Maler in dem Sinne, 
dass er einen Ausschnitt der Sichtbarkeit des Daseins zu 
einem farbig formalen Organismus zu gestalten, Bilder zu 
machen strebte; er griff nach Stift und Farbe, um dem, 
was die Umwelt in ihm auslöste, einen immer klareren, 
immer einfacheren Ausdruck zu geben — um das glühend 
Gefühlte formend mitzuteilen. Er hatte begriffen, dass «die 
Kunst vom Menschen nur geschaffen worden ist, damit die 
Seelen sich über die Gesetzlichkeit der Welt (oder wie 
man es sonst gerade nennen will) unterhalten können und 
weil es keine andere Verständigungsmittel dafür gibt als 
eben die Kunst». Er hatte es zuerst auf allerhand anderen 
Wegen versucht, war Kunsthändler, Lehrer gewesen, als
	        
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