5 verbreitet ist. Auch sie knüpft an beim Erlebensdrang des Lesers — aber von vornherein mit der Tendenz, diesen Drang zu ver neinen, aufzuweisen die Sündhaftigkeit der lärmenden Welt, die Vergänglichkeiten aller Begierden und Berauschtheiten. Es ist so zusagen die Kunst des moralischen Katzenjammers, der Abkehr von der großen Welt. Irgendein Himmel dient da sozusagen als er lösendes Prinzip, ein Gärtchen, ein Weibchen, ein stilles blaues Bächlein. Oder Wolkenpaläste, vergilbte Briefe, schlichtweißes Haar. Solche Erzeugnisse sind vor allem auf Frauen, Kinder und schwache Intelligenzen wirksam; sie werden meist von Pastoren, älteren Jungfrauen und ähnlich impotenten Figuren hergestellt. Es gibt auch Klassiker dieses Schlages. So sind z. B. Geibel, Schwindt, Voß beliebte und hehre Vorbilder. Die ursprüngliche Basis der darin zum Ausdruck gelangenden Ideologie ist die christ liche Kirche. Daß diese stark an Macht eingebüßt hat, verhindert indessen nicht, daß ihre psychologischen Einflüsse auf breite Schichten heute noch intensiv nachwirken. Da, wo jene indirekt kirchlichen Produkte aufhören zu wirken, wo Skepsis am simplen Weltbild des pietistischen Träumers nagt, da entsteht der geeignete Boden für eine andere, eine mystisch okkultistische Literatur (deren populärster Vertreter Rudolf Steiner ist). Auf diesem Gebiete gibt es umfangreiche Spezialliteraturen. Auch die Kunstgattungen der Malerei und Musik weisen ähnliche Tendenzen auf, doch schwächere, da in der Regel abstrakt-theore tische Konfusionen vorherrschen (Gnosis, Kaballa, indische, chine sische Geheimlehren), die sich auf die absoluteren Künste schwer übertragen lassen. Der Umfang des Einflusses ist schwer ab zuschätzen, da den Schichten, die sich damit befassen, die Neigung zur Abgeschlossenheit und zur Geheimniskrämerei eigen ist. Die Produktion dieser Art, vor allem das Interesse dafür, ist gewisser maßen Ausdruck einer sozialen Pathologie, sie wirkt verwirrend und sektenbildend, zeugt Größenwahn und andere fixe Ideen, zieht all die Menschen an, deren Intelligenz und Fassungsvermögen zu gering ist im Verhältnis zu ihrem Wissensdrang, der so zur Be drückung wird und nach einem Auswege sucht. Dies ist die Brutstätte aller Dilettanten, Charlatane und Quack salber, das Eldorado psychologischer Hochstapler. Die Verhält nisse der letzten Jahre, der allgemeine Drang nach Erlösung hat die Konjunktur derartiger Kreise und Spekulationen ungemein be günstigt. Es handelt sich hier natürlich nicht mehr um prole tarisches Publikum, sondern um exzentrische Bürgerliche aller Schattierungen, hauptsächlich um Hysteriker und Neurastheniker. Die Wichtigkeit und die Auswirkungen solcher Erzeugungen werden von ihren Konsumenten gerne überschätzt — wie es über-