19 dividuellen Snobismus, abzutöten, der heute im Künstler nur zu tief wurzelt; auch in dem, der geistig und willentlich längst darüber hinaus ist. . • . / Ein Widerspruch wird hier — sogar von Genossen — gerne geltend gemacht: Kunst sei keine Propaganda. Wahre Künstler schaft sei zuinnerst unparteiisch und wahrhaftig, den Gesetzen von Ziel und Zweck, jeder Absicht und Tendenz feindlich, dem Alltag entrückt, zeitlos und souverän. Diese Anschauung läuft in ihrer Konsequenz darauf hinaus, im Künstler einen Gott zu sehen: tat sächlich spielt er heute dieselbe überflüssige lächerliche und trotz dem offiziell anerkannte und verehrte Rolle wie jener erhabene Mann in den Wolken. Der kommunistische Künstler aber ist kein überlegenes Lebe wesen, er ist eine unter tausend Kräften, und gewiß nicht die wich tigste, die den Bau der Menschheit, der Internationale, in Angriff genommen haben — wissend, daß sie die Vollendung; nicht erleben werden, — berufen, in den Brüdern das Bild der Vollendung zu wecken, es zu gestalten, und sei es nur dadurch, daß die Unvoll kommenheit dieser Welt bis ins Letzte aufgezeigt und angefochten wird. Dies war die innere Tendenz wahrer Kunst seit je, dies war ihr Inhalt und Wert seit je, darum wird diese eigentlich nutzlose Erscheinung nie überflüssig. Nur wurde diese treibende Kraft in der Kunst: Kampf gegen die unvollkommene, Streben nach einer noch unwirklichen, menschenwürdigen Welt, — den wenigsten be wußt und blieb daher fast nebensächlich in Anbetracht des Um standes, daß diese Kraft immer und immer wieder dazu miß braucht wurde, eine schlechte Sache, ein menschenfeindliches Tun als gut, wahr und ideal auszugeben (Kirche, Krieg, Reichtum usw.). Der Künstler ist ja, wie kein anderer Mensch, leicht zu berauschen und zu betrügen. So kommt es, daß er, von Generation zu Gene ration mißtrauischer geworden, dazu neigt, Tendenz an sich als schädlich, Propaganda an sich als verlogen einzuschätzen. Das ist ein geistiger Degenerationsprozeß, der letztlich auf Selbstmord hinausläuft. Er hat sich auch auf die vielen kunstliebenden Typen der Bourgeoisie und auf manchen nachdenklichen bürgerlich infizierten Proletarier übertragen. Darum können gar nicht genug Hebel an gesetzt werden, die bleierne Skepsis und Müdigkeit (kennzeichnend die Boheme, welche als Gegengewicht vollendete Indifferenz und harmlos-anarchistische Prinzipienlosigkeit anstrebt) aus dem Herzen derer zu entfernen, für die die Kunst autoritative Bedeutung hat. Das sind viele, mehr als man vielleicht gemeinhin glaubt, viel mehr als die, welche sich dessen bewußt sind.