y 29 Zivilisation gehört hatten, und die heute so von dem steten Grauen des Todes ge packt sind, daß sie alle menschlichen Ge fühle vergessen haben und beim Abend grauen um die Friedhöfe schleichen, um dort die Leichen auszugraben und viel leicht etwas Eßbares zu finden. Das ist die Wahrheit; schrecklich und unglaublich, aber doch Wahrheit. So war es vor einem Monat; heute ist es noch schlim mer. Heute beginnen Männer und Frauen in gewissen Teilen des Hungergebietes, vom Wahnsinn des Hungers getrieben, sich gegenseitig zu schlachten, um Nahrung zu haben. Es ist gewiß nicht leicht und angenehm, diese Dinge zu sagen, noch sie anzuhören. Aber sie müssen gesagt werden. Ich sage sie Ihnen an diesem Abend; ich werde sie überall wiederholen, weil diese Wahrheit überall bekannt werden muß. # / Ich will die Völker Europas auf wecken, ich will ihnen die Wahrheit künden; wenn sie sie kennen, werden sie ihren Regierun gen klar machen, daß man handeln muß ohne Verzögerung, auch wenn es kleine finanzielle Opfer kostet. Der Tod dort unten auf dem vereisten Boden des Wolgagebietes marschiert unauf haltsam weiter. Er geht mit schnellen Schritten, und seine Ernte ist reicher noch als in den langen, furchtbaren Jahren des Krieges. Denken Sie daran, was der Krieg den Regierungen gekostet hat, und denken Sie ferner daran, wie wenig im Vergleich dazu die Rettung dieser Millionen Men schenleben sie kosten würde. Wenn wir alles geschehen lassen, wenn wir dastehen, die Arme gekreuzt, was wird dann die Geschichte von uns denken, was werden von uns denken unsere Kinder, die kommenden Generationen! Sie werden uns einschreiben in die Geschichte als eine Generation, die aus fünf Kriegsjahren so grausam, so egoistisch hervorging, daß sie leeren Herzens dabei stehen konnte und zusehen, wie Millionen ihrer Brüder und Schwestern den Hungertod erlitten. Sechs Wochen kaum ist es her, daß ich das Wolgagebiet verlassen habe, und die großen Augen der sterbenden Kinder, die wir auf Bildern gesehen haben, diese großen Augen blicken mich immer an. Für sie ist es, im Namen dieser Kinder, im Namen der Liebe und der Menschlich keit, daß ich Sie anrufe, um durch Sie und Ihre Regierungen zu handeln, und sofort, in diesem Augenblick zu handeln! Staatsgefährliche Gedichte. Es sind bisher im „Gegner* Gedichte nicht ver öffentlicht worden. Da der Staatsanwalt aber fand, daß die beiden nachfo'genden Gedichte unseres Ka meraden Oskar Kanehl genügend Anlaß seien, ein Ermiitelungsverfahren gegen Kanehl wegen Hoch verrats zu eröffnen, glauben wir, es dem Staats anwalt, unserer Antipathie gegen Gedichte und un seren Lesern schuldig zu sein, diese Gedichte nach stehend zu veröffentlichen: Wer fragt danach? Proletarier erschlagen. Wer fragt danach? Proletarierwitwen. Wer fragt danach? Proletarierkinder verwaist. Wer fragt da nach? Die hungern und frieren und verrecken auf der Straße. Proletarier erschlagen. Wer fragt danach? Proletarier erschlagen. Wer fragt danach? Mörder reiben sich die Hände. Mörder haben Reisepässe. Mörder haben milde Richter. Proletarier erschlagen. Wer fragt danach? Proletarier erschlagen. Wer fragt danach? Minister graben ihren Arsch in Sessel. Minister mästen Mördergarden. Minister kriechen hinter Staatsgesetze. Proletarier erschlagen. Wer fragt danach? Proletarier erschlagen. Wer fragt danach? Proletarier, die leben! Wir fragen danach. Beim Blute unserer toten Brüder: Wir Lebenden wollen euch Antwort geben. Proletarier erschlagen. W i r fragen danach.