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Industrie und Kleinbourgeoisie nebeneinander bestehen. 1 Und gerade hierin wird
e» wichtig sein, die Emissionspolitik mit einer solchen Lohntarifpolitik in Einklang
zu bringen, daß die Geldemission sich nicht in eine schwere Besteuerung des
Arbeitslohnes verwandelt.
Sowohl in industriellen wie in Agrarländern, muß bei der Proletariier-
diktatur der Staat möglichst genau sein Budget in Naturalwerten feststellen und
eine klare Vorstellung davon haben, welcher Teil dieses Naturalbudgets vermittels
Papiergeldemissionen gedeckt werden muß. Das kann man nur wissen auf Grund
der Kenntnis der Gesetze des Papiergeldkurses in der Zeit des Ueberganges zum
Kommunismus. Erst dann wird jener ganze mystische Nebel, mit welchem noch
in bedeutendem Grade der Verteilungsprozeß sogar in der Uebergangszeit dank
der Beibehaltung des Papiergeldsystems (umgeben ist, sich zerstreuen und wird
nicht daran hindern, alle wirklichen Prozesse sozialer Verteilung in ihrer wirk
lichen Gestalt zu erkennen, d. h. im gegebenen Falle in der Umstellung der
Naturalwerte.
Zum Schluß wollen wir noch zwei Worte sagen über die bourgeoisen An
sichten von der Finanzpolitik der Uebergangszeit und ihrer Widerspiegelung in den
Köpfen eines gewissen Teiles Kommunisten, sowie über die allzufrühe Beerdigung
des ganzen Geldsystems überhaupt.
Es ist bourgeoisen Volkswirten eigen, über jede neue Papiergeldemission des
Staates in Schrecken zu geraten, weil sie einen Kurssturz des Rubels hervorruft
In der bourgeoisen Gesellschaft ist die Emission von Papiergeld über die sozial
zum Umlauf nötige Summe hinaus und der Fall des Rubelkurses das Anzeichen
eines argen Mißstandes im Staatsbudget und in den meisten Fällen auch das An
zeichen von Uebelständen in der ganzen bourgeoisen Wirtschaft überhaupt, wobei
die Vergrößerung der Inflation und das Fallen des Kurses, wenn auch
indirekt, den Zerfall des bourgeoisen Handel» und der Industrie verstärken. Es
wird eine Anhäufung in der Form von Papiergeld zur Unmöglichkeit gemacht, es
findet eäne systematische Expropriation der Inhaber großer Geldsummen statt,
Fieber befällt den Handel, er wird zur Spekulation und für ein Land mit stark
entwickeltem Außenhandel ist das Kursfallen der Währung ein richtiges Unglück.
Wenn die bürgerliche Gesellschaft die feste Geldeinheit verliert, vertiert sie damit
die Waffe, welche ihr ertaubt, ein gewisses Gleichgewicht in dem ganzen kapita
listischen System aufrecht zu halten, ungeachtet all ihrer wirtschaftlichen Prozesse.
Es ist darum nur natürlich, daß die bourgeoisen Volkswirte einfach ihre Ein
stellung zur Inflation eines bourgeoisen Staates, ihre Befürchtungen und ihre Panik
beim Kursfallen auch auf die Papiergeldemissionen des Proletarierstaates über
tragen. Statt die wirtschaftliche Rolle der Inflation bei proletarischem Regime zu
erforschen und ihr Plus und Minus unter diesen neuen Bedingungen abzuschätzen,
so begnügen sie sich damit, „Feuer“ zu schreien und die Proleitarierregierung an
zuflehen, sie solle die Inflationspolitik nicht weiter fortsetzen. Auf alle Probleme
der Finanzpolitik gibt es bei ihnen nur eine Antwort, die lautet: „Devalvation
und Schaffung einer festen Währung“.
Freilich geht der Proletarierstaat an die Papiergeldemission heran, indem er
in dieser Beziehung die Politik des gestürzten Regimes fortsetzt, gerade deshalb,
weil er keineswegs genügend Reichtum und nicht genügend andere für ihn nötige
reale Werte besitzt. Wenn die Proletarierregierung von Anfang an die Möglich
keit gehabt hätte, in der sozialistischen Wirtschaft irgendwie ohne Emission von