3 MERZ <Für den »Ararat« geschrieben 19. Dezember 1920) leb wurde geboren am 20. Juni 1887 in Hannover. Als Kind hatte ich einen kleinen Garten mit Rosen und Erdbeeren. Nachdem ich das Realgymnasium 1 in Hannover absolviert hatte, lernte ich bei Bantzer, Kühl und Hegenbarth in Dresden die Technik der Malerei. Das Stilleben mit Abendmahlskelch habe ich im Malsaal Bantzer gemalt. Die jetzt bei Hans Goltz, München, Briennerstraße 8 ausgestellte Auswahl meiner Arbeiten soll zeigen, wie ich von der bewußten, möglichst genauen Nachahmung der Natur durch Ölfarbe, Pinsel und Leinwand zur konsequenten Verarbeitung nur künstlerischer Mittel im Merzgebilde kam, und daß von den naturalistischen Studien bis zu den Merzabstraktionen eine stetige Entwicklung führt. Das Abmalen der Natur ist die Übersetzung der dreidimensionalen Körperlichkeit auf eine zweidimensionale Fläche. Das kann man lernen, wenn man gesund ist und nicht farbenblind. Ölfarbe, Leinewand und Pinsel sind Material und Werkzeug. Es ist möglich, durch zweckmäßige Verteilung von Ölfarbe auf Leinewand die Wirkung von Natureindrücken zu kopieren,- unter günstigen Umständen so genau, daß man das Bild nicht von dem Modell unterscheiden kann. Man beginnt zum Beispiel mit einer weißen, für Ölmalerei grundierten Leinewand und zeichnet etwa mit Kohle die am deutlichsten erkennbaren Richtungen der darzustellenden Naturform darauf. Nur die erste Richtung darf ziemlich willkürlich gezeichnet werden, alle anderen müssen zu der ersten den durch das Naturmodell vorgeschriebenen Winkel haben. Durch ständiges Vergleichen der Darstellung mit dem Modell kann man die Richtungen so untereinander abstimmen, daß die der Darstellung denen der Erscheinung des Modells entsprechen. Man setzt Richtungen nach dem Gefühl, lotet und kontrolliert die Richtigkeit des Gefühls durch Vergleichen des abgeschätzten Winkels der Richtung mit dem Lote bei der Natur mit dem bei der Darstellung. Darauf zeichnet man entsprechend der Erscheinung des Größenverhältnisses der Modellteile unter einander das Verhältnis der Größe der Bildteile auf die Leinewand, am besten durch gedachte Linien, die diese Teile umgrenzen. Die Größe des ersten Teiles ist beliebig, falls nicht »Naturgröße« eines Teiles, etwa des Kopfes, dargestellt werden soll. In diesem Falle mißt man eine parallel zu einer ent sprechend der Bildebene in der Natur gedachten Ebene gerichtete gedachte Linie mit dem Zirkel und trägt dieses Maß in die Darstellung des ersten Teiles ein. Alle übrigen Teile stimmt man zu dem ersten auf der Bildebene gefühlsmäßig entsprechend den entsprechenden Modellteilen ab und kontrolliert das Gefühl durch Messen, indem man das Bild soweit von sich stellt, daß der erste Teil gleich groß dem ersten des Modells erscheint und vergleicht. Um ein beliebiges Maß zu kontrollieren, hält man mit ausgestrecktem Arm einen Pinselstiel in der Richtung dieses Maßes in der Natur so vor dieses Maß, daß das Ende des Pinselstieles mit einem Ende des Maßes scheinbar zusammenfällt, und hält den Daumen so an den Pinselstiel, daß die Berührungsstelle des Daumennagels mit dem Stiel sich mit dem anderen Ende des Maßes deckt. Wenn man das so gewonnene Pinselstielmaß wieder mit ausgestrecktem Arm vor das entsprechende Bildmaß hält, kann man mit photographischer Genauigkeit feststellen, ob man sich gefühlsmäßig getäuscht hat. Ist die Aufzeichnung »richtig«, so füllt man die Bildteile mit Farbe aus, entsprechend der Natur. Am zweckmäßigsten beginnt man mit einer deutlich erkennbaren Farbe von großer Ausdehnung, vielleicht einem etwas gebrochenen Blau. Man schätzt den Grad der Stumpfheit ab und bricht die Leuchtkraft durch die Komplementärfarbe, etwa Ultramarin durch lichten Ocker. Durch Hinzu^ setzen von Weiß kann man die Farbe hell, von Schwarz dunkel machen. Das alles kann man lernen. Zum Kontrollieren der Richtigkeit setzt man am besten das Bild unmittelbar neben die. gedachte Bildebene in der Natur, stellt sich auf seinen alten Platz zurück und vergleicht Bildfarbe