23 suchen unter Förderung der staatlichen Kunstverwaltung ehrlich die bleibenden Werte in der verwirrenden Flucht der Erscheinungen,- was sonstwie hier mitzuwirken hat, zählt zum großen und größten Publikum. Sammler und Händler großen Stils fehlen, nur die Konjunktur hat in den letzten Jahren ihr Interesse erwärmt,- einen echten und wirklichen Freund, an dem die meisten von ihnen jahrelang einen Rückhalt gefunden hatten, haben die jungen Künstler in Josef Hauer kurz nach Beginn des Krieges verloren. Seine schöne Menschlichkeit stand wohltuend über einem Gebiete, auf dem sich hysterische Verzücktheit und geschäftige Gewinnsucht sonst oft seltsam kreuzen und bisweilen — besonders widerwärtig — verbinden. Die Zerfahrenheit dieser Verhältnisse hat im Ausstellungswesen besonders charakteristische Blüten hervorgebracht. Wir sahen Ausstellungen, in denen dem offiziellsten Kitsch Abteilungen kitschigster »Neukunst« — halb Lachkabinet, halb Geschäftskniff — angegliedert waren,- wir sahen eine Kunstschau, in der durch eine einseitige — übrigens sehr geschickte und geschmack^ volle — Aufmachung auch die tragenden Kräfte von heute in ein dekoratives Ideal von gestern eingefügt wurden,- wir sahen viele kleine Sonderausstellungen einheimischer Jugend, die nach befruchtenden Kräften verlechzend in engen Kreisen zu versanden droht und die ernsten Be mühungen der vielfach auf deutschböhmische Künstler gestützten »Freien Bewegung«. Und wir sahen seit Jahren keine oder nur durch Zufall hergesprengte — Werke von Oskar Kokoschka,- weil dieser uns fern bleibt, wie er selbst seinem neuen Boden fremd, ist Wiens Verhältnis zur neuen Kunst ohne Halt,- denn wir wissen aus tiefstem Instinkt, daß er zu uns gehört als unser Führer und heimlicher Kaiser. Hans Tietze. FRANKREICH Der Pariser Herbstsalon 1920 Enttäuscht meldet der »offizielle« Kritiker, im Herbstsalon dieses Jahres keine neue Richtung entdeckt zu haben. Nicht einmal eine neue Richtung! Wahrlich, es muß schlecht um die schöpferischen Kräfte der Neuen Kunst bestellt sein. Moribundus. <Ich habe übrigens gehört, daß auch in Deutschland düstere Propheten den Untergang der Neuen Kunst weissagen.) Bedenkt denn keiner, daß wir die junge Ge neration, von der vielleicht neue Impulse aus= gegangen wären, auf den Schlachtfeldern hin schlachten ließen? Die Jugend, auf die wir rech= nen können, zählt heute, wie Vlamink mit Recht bemerkt, noch nicht mehr als 12 Jahre. Im Herbstsalon stellen reife Männer aus, Ge^ festigte, die ihren Stil gefunden haben, und wir werden uns wohl damit abfinden müssen, lange Zeit hindurch Entwicklungen zu verfolgen, die in das Stadium der Beruhigung getreten sind. Wir sehen Matisse, souverän auf dem Gipfel der Meisterschaft seiner Kunst gebieten. Die »Familie« wird immer als chef-ceuvre dieses starken Koloristen gelten. Gleizes vereinfacht sich immer mehr. Er träumt von einer Kunst, an der das Volk wieder Anteil haben kann. Das Tafelbild verwirft er als zu eng, zu kapitalistisch: Verwirklichung seiner Ideale erwartet er vom Fresko. Bracque hat man nicht zu Unrecht mit Chardin verglichen. Andre Lhöte, der Maler-Kritiker, hat sich diesmal darauf be= schränkt, nur Maler zu sein —■ zum Heile seiner Kunst. Raoul Dufy — o, er besitzt eine glän zende Begabung und erstaunliche Kenntnisse — woran mag es nur liegen, daß man ihm doch nicht restlos zuzustimmen vermag ?Dunoyerde Segonzac hat mit seiner großen Landschaft einen echten Erfolg errungen. Er besitzt die Haupttugenden des französischen Geistes: Ord nung und Maß. <Von den Kompositionen seiner Frühzeit konnte man das nicht behaupten.) Das malerische Temperament Viaminks hat nichts von seinem hinreißenden Brio eingebüßt. Kees van Dongen erregt die Sensation, auf die es ihm ankommt. Der Unterschied zwischen einem Kees van Dongen und einem Bouguereau ist nur zeitlicher Natur. Als Maler mondäner Frauen und pikanter Grisetten mag man ihn gelten