60 daß idi nie wieder ins Elternhaus dürfte und in eine Besserungsanstalt käme, wenn ich schlechte Fortschritte machte. Mir gings aber sehr gut, nur im Freihandzeichnen war ich der Schwächste. Mittlerweile hatte mein Vater zum dritten Male geheiratet, ein Fräulein aus Klagenfurt, und da bot sich die Gelegenheit, zu einem durch diese Verbindung zum »Onkel« gewordenen Landschaft photographen als Lehrling zu kommen. Aber ich lernte dort so gut wie nichts und erst nach sieben Jahren, als ich die Leiter einiger Reproduktionsanstalten von Weltruf freundschaftlich kennen lernte, machte ich mich nebenher fast spielend mit allem Wesentlichen der Photographietechnik vertraut. Dafür machten in Klagenfurt allerdings meine Kenntnisse des allgemein menschlichen Wesens rasche Fortschritte. In diesen Jahren überkam mich auch das Lesefieber und ich weihte ganze Nächte irgend^ einem spannenden Roman. Man sah mir schließlich die Gleichgültigkeit mit allem, was mit dem Geschäft zusammenhing, am Gesicht ab und die Freude des Onkels an meiner Person nahm zusehends und unwiderbringlich ab. Eines Tages begab es sich, daß ein Hypnotiseur wunderbare Seancen in einem großen Saale anzeigte. Ich hielt zwar das Ganze für groben Schwindel, ging aber doch am Abend mit einigen Landwehroffizieren hin. Ich bot mich zu Versuchen an und der Mann, ein ehemaliger Schlosser mit einem robusten, unschönen Kopf, hatte mich nach einigen Minuten vollständig unter seinen Willen gebracht. Unter seiner Suggestion vollführte ich förmlich schauspielerische Leistungen —■ er hatte noch nie einen solchen Erfolg gehabt. Es folgten nun in den nächsten Tagen im Kreise meiner Bekannten noch eine Reihe solcher Experimente, die mich stets interessierten, allerdings aber auch meinen Nerven den Rest gaben. Ich wurde nervös und furchtbar empfindlich, es kam oft zu bösen Auftritten mit anderen Angestellten, denn ein hingeworfenes dummes Scherzwort konnte mich in rasende Wut bringen,- innerlich fühlte ich fortwährend ein erregtes Zittern, es war mir, als wie wenn alle Hemmungen von mir abfielen. Das konnte so nicht weitergehen! Ein dumpfe Lebensunlust überfiel mich jetzt und kurz entschlossen wollte ich, nach einer heftigen Szene, die ich mit einem Kollegen hatte, meinem, wie mir schien doch unnützen und verpfuschten Leben ein Ende machen. Zu diesem Zwedc fuhr ich, mit einem alten billigen Revolver in der Tasche, nach dem weitentfernten Ort meiner Kindheit, um mich dort am Grabe meiner Mutter zu erschießen. Am Grabe meiner Mutter angelangt, betete ich auf alle Fälle zum lieben Gott,* desgleichen bat ich im Geiste meine Mutter, daß sie mir die nötige Festigkeit schicken und mich vor Feigheit bewahren möchte. Dann wartete ich noch bis zum nächsten Glockenschlag, in der Hoffnung, daß sich doch noch von irgend woher Hilfe nahen würde, — aber nichts kam, und den Gedanken, rasch zu meinem Vater hinüber zugehen, wieder nach Klagenfurt zurückzukehren und alle um Verzeihung zu bitten, wies ich als zu schmachvoll, als einfach unmöglich weit von mir. Die Mündung an der rechten Schläfe, wo ich mir nach einem anatomischen Bilde mit einer Nadel einen Ritz machte, um das Gehirn nicht zu verfehlen, drückte ich los. Doch die eingerostete alte Waffe versagte und zum zweiten Abdrücken fehlte mir die seelische Kraft,- — es wurde mir jämmerlich übel. — Nachdem ich in einem Gasthausbett ein paar Stunden gelegen, ging ich in mein elterliches Haus und wurde von meinem Vater — übrigens ohne weitere Vorwürfe — umgehend nach Klagenfurt zurückgesandt. Dort war mittlerweile mein Onkel von einer Reise heimgekehrt und bereits von meiner Flucht unterrichtet. Meinen Bitten und Versprechungen gegenüber erwies er sich taub und setzte mir schonungslos den Stuhl vor die Türe. — Es war der Plan meines Vaters, da er selbst Offizier gewesen war, mich bei einem alten Major einen Einjährigenkurs absolvieren zu lassen. Verwandte in Steiermark nahmen mich zuerst vor^ übergehend auf. Dann aber beschloß ich ohne die Berechtigung zum Einjährigenjahr freiwillig in die Armee einzutreten. Beim Militär wollte man mich aber nicht haben, der Regimentsarzt meinte, ich sollte lieber noch ein paar Jahre warten. Ich sagte ihm, daß ich später Militärkartograph werden möchte und überhaupt für das Soldatenleben eine glühende Begeisterung hege. Mein Wunsch