77 die Lineale das Wrack eines Zeichentisches, die dreibeinige Kommode, mit einem Wort alle hölzernen Möbel wurmstichig und morsch waren. Wie sah ich selber aus? Sonderbar genug! Na, wenigstens liefen auch andere, sonst adrett und sauber gekleidete Leute nun recht verlottert herum. Schimmel an Kleidern und Schuhen hatten wir alle. Da half kein Waschen und Schaben, es kam schnell wieder nach. Die Kleiderstoffe wurden mürbe, faserten und fielen stückweise von uns. Wir Männer ertrugen das mit Würde, doch die armen Damen! . . . schweigen wir! Eine größere Veränderung trat ein, als die Häuser nicht mehr recht bewohnbar waren. Zu ebener Erde gings noch, Stiegensteigen aber erforderte wilden Mut. Als mir eines Tages der Kellner ein faules Ei, eine trübe Flüssigkeit in einer zerbrochenen Bierflasche und einen fetten, schmierigenLap* pen —■ wohl als Serviette gedacht — vorsetzte, da riß mir die Ge* duld und ich rief nach dem Wirt. Dieser war ge* rade damit be schäftigt, im Hintergründe mitdenTeilendes Billards die De* cke zu stützen. »Was soll das!« herrschte ich ihn an, »an diesem Bestecke sitzt Tin Pfund Grünspan. Die ses ekelhafie Zeug und den Schmierlappen nehmen Sie ge* fälligst fort!« Er verbeugte sich und wimmerte: »Ach, das Per* sonal, werter Herr!« »Schon gut,« winkte ich erbost ab, stand auf, nahm meinen verschabten Zy* linder und ver ließ das Cafe. Auf der Stelle, wo ich gesessen, hatte sich eine kleine Ameisen* kolonie gebildet. In das Kaffee* haus ging ich nur noch aus Ge* wohnheitsdrang. Es war zu un* appetitlich, als daß man mehr als einen schwär* zen Kaffee hätte genießenkönnen. Anton war sehr zu seinem Nach* teil verändert, er hatte ungewa* schene Hände und roch auf gro* ße Distanzen. So wie Anton brauchte man doch nicht he* rumzulaufen. Die an ihm haf* tende Schmutz* kruste nannte der Friseur »Materie«. Es war einfach ekelhaft! Um so mehr erstaunte ich, als ich einmal abends beim Heimkommen ein leises Kichern im Hausflur hörte, und beim Ableuchten aller Winkel, da ich irgendwelche Tiere vermutete, hinter der Speichertür Herrn Anton in liebender Umarmung mit Melitta an* traf. Sie fand bald darnach ihren Tod. In ihrem Schlafzimmer wurde sie mit zerrissenem Leibe aufge* funden. Die verriegelte Tür mußte erbrochen werden. Eine kolossale Dogge war mit eingesperrt. Das tolle Tier stürzte sich mit gesträubtem Haar auf die Eindringlinge und verletzte zwei Polizeimänner durch Bisse, bevor es erschossen werden konnte. Die beiden starben bald nachher an Hundswut. In ihren letzten Lebenstagen waren von der einstigen Schönheit Melittas nur noch karge Reste zu sehen gewesen. Ver* geblich hatte sie durch übertriebenes Schminken und Pudern die Zeichen ihres Wandels zu maskieren gesucht. Mysterium