144 AMERIKA New *y ork als Kunstmarkt. Herr Thomas E. Kirby, zur Zeit Präses der amerikanischen Kunstgesellschaft, ein Veteran auf dem Gebiet des Kunsthandels, da er seit dem Jahre 1858 die Kunst aller Länder, jeden Genres und Preises durch seine Hände gehen sah, sieht im Augenblick New*York als das Kunstzentrum der Welt an. Er schreibt dieses Faktum in erster Linie der so außerordentlich günstigen finanziellen Lage Amerikas nach dem Kriege zu. Während früher Paris und London bekanntermaßen New*Y ork als Kunstmarkt weit übertrafen, hat sich seit Kriegsbeginn der Markt immer mehr nach New*York verschoben und es scheint nicht, daß normalere Zeiten ihn wieder nach Europa zurückverlegen würden. Thomas Kirby hat in seinem Leben Kunst* auktionen abgehalten, in denen der Umsatz einen Total wert von 55 Millionen Dollars erreichte, man kann daher wohl annehmen, daß er in Bezug auf das kaufende Publikum Erfahrungen ge* sammelt hat. Es ist ihm natürlich nicht ent* gangen, daß die Qualität des kaufenden Publi* kums sich während des Krieges — dank der Kriegsgewinnlerei — stark verändert hat, wie das ja auch in europäischen Ländern ein ins Auge springender Punkt ist. Heute aber scheint der Markt schon wieder mehr in den Händen der ehemaligen Käufer zu liegen, die während des Krieges jenen Teil ihres Einkommens, den sie in Kunstwerken anzulegen pflegten, nationalen Zwecken geopfert haben. Unmittelbar nach Kriegsausbruch griff auch in New *york eine kolossale Preistreiberei um sich. Kirby ist der Meinung, daß die momentane industrielle De* pression wenig oder gar keinen Einfluß auf den Kunstmarkt hat. Hauptsächlich wird Wallstreet davon betroffen, doch die Bankiers von Wallstreet haben nie zu den ständigen und bestzahlenden Käufern ge* hört, sie sind mehr unter die Emporkömmlinge zu zählen und kaufen größtenteils aus Spekula* tionstrieb. Der gute Käufer läßt sich in New* York in der Regel gründlichst instruieren und kauft erst nach reiflichem Wiegen und Wägen. Kirby behauptet, daß der Amerikaner des Westens weit weniger spekulativ veranlagt ist, als angenommen wird, und daß ein beliebiger Käufer, der ein Bild aus Liebe zur Kunst erwirbt, viel willkommener ist, als ein Kriegsgewinnler, der ein Gemälde ersteht, um seinen Salon zu tapezieren, oder irgendein Spekulant. Mögen die letzteren auch im Augenblick mehr bieten, so ziehen die ersteren mehr Freunde nach. Auch für amerikanische Bilder scheint die Zeit jetzt günstig zu sein und für sogenannte ameri* kanisch*klassische Kunst werden bereits ansehn* liehe Preise bezahlt. Ein Blakelock erzielte 20000, ein Umophey 15000 und ein Inneß sogar 30000 Dollar. Laut Thomas Kirbys Aussage stehen die Bilder amerikanischer Durchschnittsmaler, was den Verkauf anbetrifft, nicht hinter denen ausländischer Meister zurück, auch konstatiert er einen Fortschritt in der modernen amerika* nischen Malerei in ästhetischer Beziehung seit dem Kriege. Für radikale Künstler scheint es schwierig zu sein, in Amerika Absatz zu finden, selbst auf ihrer eigenen Ausstellung war das Ergebnis nicht lohnend. Es liegt auf der Hand, daß das Sehen und Kaufen von Kunstwerken einen erzieherischen Einfluß auf das Publikum ausübt und daß folg* lieh mit dem Steigen der Kunstproduktion in Amerika auch die Zahl der Kunstliebhaber zu* nimmt. Das künstlerische und literarische Leben in New^York. Man schreibt uns am 22. Februar aus New-York: Wir werden in diesem Winter durch einen weit zahlreicheren Besuch ausländischer Künstler beehrt als je zuvor. Möglich, daß diese Tatsache mit dem Sinken des Pfund Sterling und anderer europäischer Valuten im Zusammenhang steht. England schickte uns den unübertrefflichen Gil* bert K. Chesterton, den sympathischen Jour* nalisten Sir Philip Gibbs, die schöne Bild* hauerin Clara Sheridan, den Kritiker Wil* liam Archer, während ein Besuch von Wells und einigen anderen Leuchten noch zu erwarten