158 Mein Vater war von Gesicht und Haltung ebenso gut wie schön, aber ich fürchtete ihn ein wenig. Ich habe soviel Majestät nur noch einmal bei einem Araberhäuptling zwischen Kefeldor undTouggourt angetroffen, der, an den Füßen braunrote Stiefel, ein rosiges, windschnelles Pferd meisterte. Mein Vater war in den Kleinen Antillen am 31. August 1831 geboren, als Sohn Jean-Baptiste Jammes, Dr. med., Ritter der Ehrenlegion, dessen vergilbte Briefe mich sein leiden schaftliches, mutiges, unternehmendes, halsstarriges, melancholisches und — von der Mutter her — zärtliches, verschwenderisches und bezauberndes Naturell kennen gelehrt haben. Alle beide waren französischer Abkunft. Es heißt, daß wir von jenem Jammes abstammen, den Sülly in seinen Memoiren erwähnt und der bei Ivry einer der treuesten Gefährten Heinrichs IV. war. Ein kleines Mädchen, Blanche mit Namen, war häufig in unserer Gesellschaft. Sie und ich spazierten miteF nander umher und belegten — so wie es die Kinder in Pascals »Pensees« tun, alles um uns her persönlich mit Beschlag: »Dieser Felsen gehört mir — nein mir!« Unsere gemein same Freundin war Annette.Sie wohnte in Bordes, einem Dorfe, das wie mir scheint, längs einer Landstraße, die links vom Bahnhofe abzweigte, lag. Sie war Waise und 6 Jahre alt. Sie lebte mit ihrerTante bei ihrem Groß vater , der Notar war. Sie nahm mich die ich halb schloß um die Flammen strahlenden Sternen gleich zu machen, werden niemals an meinem inneren Himmel verlöschen. Ich glaube, wenn man mir um meines Glaubens willen den Kopf abschlüge, so würden jene kleinen Gestirne der Kirche, wo ich getauft wurde, hinter meinen Lidern zu leuchten nicht aufhören. Meine tiefste Sehnsucht war, mich dem strahlenden Tabernakel noch mehr zu nähern,- eine jener lebenden Mohnblumen im Getreide des Herren zu werden, die aus ihren Silberkelchen den Rauch des Weihrauches steigen lassen. Ich habe früher so viel darum gelitten, nicht Gottes Diener werden zu können, daß es nunmehr meine Freude ist, eines meiner Kinder, das jetzt ebenso alt ist wie damals ich, auf seinen kleinen Altar steigen und mit goldenem Meßgewand bekleidet, sich zurückwenden und mich segnen zu sehen. Mein Vater, der zum Einnehmer in Sauveterre-de- Gironde ernannt worden war, ging allein dorthin, denn dieser Posten behagte ihm keineswegs für uns, und er hoffte seine Versetzung L Seewald Reh (Gemälde) mit in ihren Garten und überwachte mich wie eine Mut ter, obwohl wir beide gleichaltrig waren. Es ist nach dem Frühstück. Ein Vogel sitzt auf ei nen Birnbaum. An nette, mit runden, rosigen Wangen wie ein Apfel, zeigt ihn mir mit dem Finger. Diese Spazier gänge und länd lichen Besuche ent= zückten mich. Glückseligkeit aber bedeuteten für mich meine Betstunden in der Kirche. Die ersten Kerzen, die ich brennen sah hin ter meinen Lidern,