163 3 Sympathie ging für die armen Kreaturen manchesmal schlecht aus, denn mein glühender Wunsch, sie um jeden Preis in den Händen zu halten, ließ mich öfter die unschuldige Falle mit dem Eisen, dem Bogen und selbst dem Gewehr vertauschen. Ich habe auch jetzt noch die Vorliebe für Waffen und Jagd bewahrt und trage den Widerspruch in mir, die Tiere zu lieben und dennoch einem wilden Instinkt, in Wald und Feld nach ihnen zu schießen, nicht widerstehen zu können. Vielleicht kommt zur Freude an meiner Geschiddichkeit noch die tolle Leidenschaft Wild zu essen, Wild, das mir neben Muscheltieren herrlicher als Ambrosia scheint. Mein Gelüsten darnach kam zum Teil auf die Kosten, als die Ringeltauben im Herbst die Himmel der Wälder bevölkerten. Einige Freunde meines Vaters ließen uns daran Teil haben, unter anderen der Notar Brunus. Auch gaben wir uns zu jener Zeit in einem nicht weit von der Landstraße gelegenen Eichenwald, eifrig der Suche nach Eßpilzen und Blätterschwämmen hin. Wir gingen auf die Pilzsuche in Gesellschaft des Fräulein Ferrand, der Tochter eines alten Arztes, dem mein Großvater einmal auf einem Ausfluge unversehens die Perücke vom Kopfe gerissen hatte, als er seinen Sonnen- schirm öffnete. So spiegeln sich in mir die Offenbarungen des Herbstes als eine Reihe von Bildern, die die Anmut des Todesfrühlings haben. (Bruchstüdce aus der Veröffentlichung in »Le correspondent«, übertragen von Hilde Supan.) FRANKREICH Die jüngste französische Musik ä Florent Fels Aus dem Chaos der sklavischen Debussy- Nachfolge beginnen sich langsam und dann hef tiger einige starke und neuerungsfähige Persön lichkeiten zu lösen, deren Ziel dem der Jüngsten und Fortgeschrittensten in Deutschland konform scheint. Man verschmäht die billige und äußere liehe Stimmungsmache und setzt an Stelle auf lösender destruktiver Tendenzen ein Streben zu klarer oft primitiver Ausdrücklichkeit und straffer Zeichnung. Das Umgehen des Gesetzlichen hört auf beherrschend zu sein. Neue innere Disziplin beginnt. Man findet Möglichkeiten einer neuen schemafernen Formalität, die oft in verblüffenderWeise an die herbe Architektonik der vorklassischen Musik <Jannequin, Schütz, Buxtehude) mahnt. Der Führer dieser musikalischen Avantgarde, Erik Satie, kam von der Programmusik. Sein Stil ist von vornherein merkwürdig einfach. Satie verzichtet durchaus aufs Maschinelle. Jeder Einfall wahrt äußerlich die asketischste Öko- nomie. Der Schwerpunkt liegt im Melodischen. Virtuoses fällt weg. In erster Linie schrieb Satie Klaviermusik. (Descriptions automatiques, Veritables preludes flasques, Chapitres tournes en tous sens), außerdem ein symphonisches Drama »Socrate«. In den frühen Klavierstücken gibt es seltsame Dinge. Man schildert das allzu heftige Reden einer Ehefrau, die ihren Gatten in den Tod schwatzt. Die Muskelspannung eines Mannes, der schwere Steine schleppt und endlich fallen läßt. Den Schmerz von Gefan genen. Und so weiter. Man notiert ohne Takt striche meist nur eine Stimme auf einem System. Die Versetzungszeichen <wie gelegentlich bei Busoni und Schnabel) nur für die folgende Note. Das tonale Element tritt ganz zurück. Der Primitivismus dieses Stils wirkt zunächst unbe holfen und schwach. Man muß diese Musik, die selbst Schönbergianern unverständlich sein wird, ganz anders hören als gewöhnliche. Die Linie an sich, das bewegte Melos als musika lische Urkraft ist hier am Werk. Alle formalen, harmonischen, kontrapunktischenBedenken treten in den Hintergrund. (Immerhin ist dieser Stil kontrapunktischem Empfinden sehr nahe. Ver gleichen Sie »celle qui parle trop«!> Eins der schönsten Stücke ist »l'enfance de Pantagruel« aus den »Trois petites pieces montees«. (Vier händig.) Die Harmonisierung ist denkbar pri mitiv, streckenweis nur reine Dreiklänge. Lange Quintketten verstärken den archaischen Aus druck. Ein elementares rhythmisches Baßmotiv gibt dem Stück ein unerhört mystisches, bei aller