200 Der zweite Künstler ist Max Läuger, der Karlsruher Keramiker. Zur Zeit des Jugendstiles ist er Sucher einer neuen Form gewesen und Läugertöpfereien mit plastisch aufgelegtem, pflanzlichem Dekor erfreuten sich größter An erkennung. Jetzt arbeitet er still für sich, fern vom Markte. Gebildet an den edlen persischen und türkisdien Fliesen und Schalen strebt er unermüdlich zu letzter Vollendung und restloser Beherrschung des Materials. Das Gebiet der Majolika ist sein Reich. Bedingt durch die Schwere des grobkörnigen Stoffes sind seine Urnen, Vasen und Schalen von stillbewegter Umrißlinie voll edelster Harmonie. Die Palette zeigt vorwiegend zwei Farben, ein ganz gesättigtes tiefdunkles Blau und ein gedämpftes Grün. Geheimnisvoll umspinnen feinste Ranken und Blätter unter schwerer silb riger Glasur die Gebilde oder bewegen sich Tiere. Jedes der Stücke ist einmalig, allen Zauber so in sich schließend, der wiederum in jedem neu erscheint. Seine neuesten Schöpfungen sind Kleinplastiken, weiche, verträumte Frauen, die von Meertieren emporgetragen sind zum Licht des Tages oder sich erstaunt und fragend vom Grunde einer Schale lösen. Ließ das Porzellan, ein feingeschlemmtes, in hohem Brande gehärtetes Material, von mutiger Hand sich zu jenen Riesenschöpfungen bilden, so hat auch die »Groß herzogliche Majolika-Manufaktur« verstanden, die Gren zen der Majolika zu dehnen. Daß dort auf dem Gebiete der Baukeramik Gutes geleistet wird, zeigen die Zweit ausformungen der von Bruno Paul entworfenen und unter Mitwirkung des Bildhauers Willy Schade entstandenen Fassade des Kunstmessehauses Dülk Berlin. Hier erscheint der ganze Reiz der durch das Material bedingten, ruhigen Fläche mit opalartigem Glanz der Glasur. In rhythmischen Abständen sind Figuren in maßvoller Bewegung verteilt, gehalten auch in dem Fluß ihrer Gewänder. Der Manufaktur ist es unter ihrem neuen Direktor ge lungen, namhafte Künstler an sich zu fesseln. Es seien hier Scheurich mit Zierwandplatten, Prof. Wacker le-München mit einem Zierbrunnen genannt. Als besonders gelungen sind die Öfen von F. A. Breuhaus-Köln anzusehen, die jedem Raum zur Zierde dienen würden. Die Fabrik ist ursprünglich von Hans Thoma und Wil helm Süs gegründet. Aus dieser Zeit stammen Kacheln und Tellern von beiden geschmückt und so mustergültig auch in ihrer technischen Behandlung, daß sie sich messen können mit den in einer Vitrine untergebrachten alt italienischen Majoliken aus der klassischen Zeit des 16. bis 18. Jahrhunderts. Auch der Tierplastiken Wilhelm Links aus jener Anfangszeit sei Erwähnung getan. Wo so starke, gestaltende Kräfte lebendig sind, zeugen sie neues Leben und neue Werke und lassen den Glauben wachsen an gute Tat. GreteBrandt. Zenitistisches Manifest. Ivan Goll — Paris. Jeden Morgen um fünf Uhr, überall, auf den fünf Konti nenten, erhebt dieselbe Zeitung ihr übernächtlich graues Haupt mit den schwarzen Lügen des Lebens: Triedensßonferenz - Mord im Käsegescßäft — Der Sprug aus dem Herzen der Gefaßten ~ Kauft Gifatte Rasiermesser - Bergson in Amerika - Wäßßet Nero! ~ Hurra! O Europäer mit kurzen Stirnen, Frauen mit zu engen Korsetten, Kinder mit trojanischen Pferden: ihr alle, Feinde einander, Feinde des Bruders und des Vaters: ihr alle, Kronen der heiligen Schöpfung, jeder mit einer papierenen Krone auf dem amerikanisch geschnittenen Haupthaar: Sozialisten und Royalisten, zerlumpter Prolet im Ölrevier, berlockentanzender Bankier in London: Oh! Nein! Nein! Glaubet nicht, daß wir wieder einmal mit Phrasen der Liebe zu euch kommen: Genossen, Brüder, ihr traditionellen Gipsköpfe, verdummte Professoren, veralkoholte Beamten gehirne, verseuchte Haut- und Seelenärzte: nein! Wir hassen, hassen, hassen euch! Aber wir wollen die elende Maske des kapitalistischen Karnevals von eurem Gesicht herunterreißen, wir wollen alle eure Schamgewänder und zynischen Efeublätter euch von den Gliedern zerren, bis euer Hirn wie ein schmutziger Schwamm verdorrt, euer Herz wie eine alte Semmel ausgetrocknet, vom Regen und Sturm unserer Feindschaft schwellen und schwellen und platzen, dann ihr als Tiere, als Mörder, als Militaristen geborene, von Homer bis Marinetti mit Kampfgesängen aufgepäppelten Nationen, ihr mit Bibeln,Witzen und Straf gesetzbüchern statuierten Zivilisationen, ihr Völker, dann wollen wir euch über die Kasernen und Justizpaläste hin weg/ auf denen »Gott mit uns« und »Liberte Egalite Fra- ternite« im Golde prangt, über eure Mauern und Moralen hinweg Zenit zeigen Sonne Katarakte von Wahrheit, Millionen Volt himmlischen Lichtes. Unsere erstklassige Ia Denkmaschine wird euch vergiftetem Geschlecht flüssige Sonne in eure kondensierten Milchbüchsen hineinverar beiten: Wahrheit. Nein! Nein! Nein! Wir lieben euch keineswegs! Wir wollen euch nicht umarmen, ihr Heuchler, ihr Verdummten, ihr Frommen, ihr Politiker, ihr Syphi litiker, ihr sentimentalen Kleinnationalen! — Nationen! Stammbäume! Urgeschlechter! Quatsch! Mensch! Wir sind nicht Franzosen, nicht Serben, nicht Deutsche, nicht Neger, nicht Luxemburger! Wir sind Europäer, Ameri kaner, Afrikaner, Asier, Australier! In dieser Zeit der notwendigen Trusts ein gewaltiges Welt-Dokument: Zenit! Mit Ozon, Wasserstoffsuperoxyd und Radium wollen wir eure Münder und Herzen reinwaschen, auf daß ihr als Menschen, ohne Abzeichen, barhaupt, ohne Zylinder, Chauffeurmütze und Helm in die offene Sonne der Wahrheit treten könnt, ohne den Sonnenstich oder die Schlafkrankheit zu bekommen. <Anm. d. Red. Zenit ist eine polyglotte internationale Zeit schrift, die von jungen, reinen Menschen in Agram (S.H.S.) herausgegeben wird.)