208 Dafür geht es in Nord west-Afrika um so zoologischer zu. Da haben wir zunächst das Gras land von Kamerun. Hier hat so ziemlich alles und jedes seine Beziehung zum Tierreich. Prächtige Masken mit Elefanten- und Büffel-Köpfen! Ausgezeichnete Stühle, deren Sitzplatten von Schlangen oder Leoparden usw. getragen werden! Prunkvolle Pfeifenköpfe <ans Ton oder Bronze) mit Elefantenschädeln! Speisebehälter von Elefanten oder anderem Getier bekrönt und auch getragen! Alle Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens gewannen —- freilich nur im Haushalt des Vornehmen und Reichen — ihren tierisch®mystischen Schmuck. Und hier im Gras land ist das Tierische nun etw'as wirklich Animalisches, das bluthaftes Leben in sich trägt. Freilich kommen die sonderbarsten Zusammensetzungen vor: menschliche und tierische Formelemente, organische Züge verschiedener Tierarten geben sich in manchen Arbeiten ein oft verblüffendes Stelldichein. Aber das Formale ist doch wichtiger: das Aufquellende, von innen nach außen bluthaft Wachsende, das die Formbildung bestimmt. Hier ist wirklich Instinkt für plastische, das heißt leibhafte Formensprache: wie schön rundet sich die Schlangen windung des Bronzeverschlusses und des Beratungs stuhles, die Spinnen-Körper und ®Beine der Pfeife! Und so ist auch der gewissermaßen geistige Ausdruck der Masken voll körperhaften Kraftgefühls: Büffel und Eie® fanten geben sich den gleichen munter®vergnügten An® schein, wie Ahnenbilder jener Gegend. Weiter im Westen ist man ernster gesonnen. Große, mächtige Reiche der früheren Zeit haben sich dort einen künstlerischen Ausdruck voller Energie und Strenge geschaffen. Das Kriegerische ihrer Menschheit spiegelt sich im Tiere wieder. Freilich wird dieses hier weniger gut verstanden, wie im Grasland. Die Er® innerungsbilder {vielleicht) des Jorubareichs ® Gründers und Beherrschers zeigen ihn hoch zu Roß, — aber er versinkt gleichsam im Sattel und dieser Sattel wiederum im Pferdekörper, und dieser hat seinerseits eine so merk® würdig plumpe Figur, daß die militärische Eleganz des Reiters dadurch ein wenig Einbuße erleidet. Aber anderes gelingt dafür um so besser: Welse, Vögel, Hasen usw., welche paarweise eine Schale stützen, die zum Auf® bewahren religiös wichtiger Pflanzenkerne bestimmt ist. Oder es wird der Leib des Chamäleon zum Gefäß ge formt. So vielgestaltig diese tierische Welt der joru® bischen Gefäße ist, — es bleibt zumeist die Formensprache eindeutig sich gleich in der kantig scharfen Schnittführung, die ihre gleichsam disziplinierten Gestaltungen <ohne den wogenden Rhythmus des Kameruner Graslandes) mit elastischer Härte und Genauigkeit modelliert. Je weiter wir nach Westen gehen, desto mehr betont sich der schon im Jorubenlande spürbare Sinn für die kantige Härte. Aber indem er immer spitzere Formen bevorzugt, nimmt er ihnen doch durch elegante Grazie die Gefahr der Brutalität. Aus der Mossigegend stammende Antilopenmasken haben in 'der Spitzigkeit ihrer Hörner und Ohren eine ganz ausgezeichnete Haltung und Vornehmheit. Zwischen diesen Binnenländern und dem Meere zieht sich ein Küstenstreifen um West® afrika hin, dessen Kunstübung die ursprüngliche Grundlage des Negertums schon durch Hölzerner Speisebehälter aus dem Kameruner Grasland <Babanki> Museum für Völkerkunde, Leipzig