224 der junge Kokoschka zuerst die Löwenpranke enthüllt,- er hat die individuellen Erscheinungen mit grausamer Schärfe abgeschliffen, bis ein Wesenskern übrig blieb, der der Typus des Betref fenden, gewissermaßen seine Idee heißen konnte. Dieses visionäre durch die Maske Sehen übt er auch heute, aber weiter und menschlicher, weniger zugespitzt und unerbittlich,- er schält nun aus der gesamten Erscheinung viel behutsamer jenes Zentrum heraus, das er einst mit dem Griff eines Operateurs herausriß. Seine Zeichnungenmappe »Variationen über ein Thema« ist eine Art Programm,- zehnmal ist derselbe Frauenkopf gegeben, zehnmal hat das gleiche Modell den Künstler angeregt. Aber es liegt ihm nichts daran, die Veränderlichkeit der optischen Erscheinung festzu halten, was ihn reizt, ist das viel wunderbarere Phänomen der seelischen Lebendigkeit,- die Wand® lungen der äußeren Erscheinungen unter dem Einfluß von Licht und farbiger Umgebung zu studieren, hatte die impressionistische Generation gelockt, Kokoschka erscheint dieses Lichterspiel auf der Maske nebensächlich gegenüber den Reflexen der Beseeltheit, die ihm das Antlitz bietet. Die Frage der trivialen Ähnlichkeit tritt völlig zurück,- frei schaffend sucht der Künstler in gleitenden Zügen den göttlichen Funken wiederzugeben, der sie beherrscht. Wie in den Bildern der imitative Naturalismus völlig abgestreift erscheint, so ist in den Zeichnungen die Frage der Interpretation einer bestimmten Persönlichkeit ganz ins Geistige übersetzt Konsequenter aber in seinen trotzigen Jugendwerken sucht Kokoschka in seinen heutigen Werken die Welt als ein Mysterium des Geistes zu erfassen. ZUR ÖSTERREICHISCHEN MALEREI Von BRUNO GRIMSCHITZ Österreichs moderne Malerei beginnt mit Klimt. Sein Werk war selbst Beginn und war mehr: Grundlage. Grundlage durch die Macht einer ausgeprägten Persönlichkeit. Das vor allem darf nicht vergessen werden: daß über Klimts malerische Dokumente hinaus seine menschliche Er® scheinung zu ungleich weiterer Bedeutung in dem Werden der letzten künstlerischen Bewegungen auf dem Boden Österreichs wuchs. Besonders für den Blick von fernher darf dieser Dualismus der menschlichen und künstlerischen Stellung Klimts nicht vergessen werden. Er nur erklärt den Wirkungsumkreis seiner Individualität. Die historische Situation war eigenartig: Klimts künst® lerische Tat fiel in eine Zeit ohne jede künstlerische Initiative. Sie stand in der Malerei allein. In anderen Künsten liefen ihr Begabungen parallel: Wagner und Hoffmann in der Architektur, Hoffmannsthal auf dem Boden des Literarischen. Und alle band sie der gemeinsame Zug groß® städtischer Formung. Das Gemeinsame einer kulturbeladenen Großstadtatmosphäre. Ihre Schöp® fungen waren durchaus Endprodukt, letzte Verfeinerung im formalen Raffinement. Waren Wagner und Hoffmann in Vielem zweckbetonte und intellektualisierte Paraphrasen des Empire, Hoffmanns® thal neue Sensibilität eines epigonenhaften Formalismus, so stieg in Klimt das Dekorative der österreichischen Malerei zu absoluter Verselbständigung. Klimt bedeutete das Nurdekorative, weiteste Entwicklung des dekorativen Grundzuges der österreichischen Malerei. Die andere Kom® ponente verdorrte: der in das Landschaftliche gewendete Realismus. Es gab überhaupt keinen Impressionismus im absoluten Sinn auf dem österreichischen Boden, wie es in absoluter Geltung das Dekorative im Werke Klimts gab. Noch Makarts dekoratives Pathos hatte in Canons Vitalität der Anschauung ein Gegengewicht. Klimts auf die äußerste Subjektivität gestellter Schöpfung standen nur die Werke weniger feiner, aber kaum stärker sich zeichnender Persönlichkeiten gegen® über: letzte Wellen impressionistischer Auffassung, gebunden durch ein gefühlsbetontes Ver® hältnis lyrischer Heimatseligkeit und einer alle voraussetzungslose Sachlichkeit ablehnenden süd® liehen Katholizität. Klimts Weg begann in dieser Niederung und führte hinauf. Erklärbar, daß