er sich steil emporhob, daß Klimt über den Tiefen des allgemeinen dekorativen Naturalismus zu Höhen wuchs. Wieder äußerte sich ein Wollen nach dem Unbedingten. Eine Individualität rang in der Leere. Und stieg in immer persönlichere Regionen künstlerischer Bekenntnisse. Klimt endete in zweidimensionaler Dekoration. Unerhörte Verfeinerungen kostbarster Flächensensation waren seine Bilder. Leuchtend in dem Raffinement ihrer funkelnden Ornamente standen die müden, dekadenten Menschen. Träger einer vergeistigten, krankhaft sensiblen Erotik, kunst gewerbliches Gleichnis differenziertester Großstadtkultur. Feminin und welk, aber von einer künstlerischen Intensität in dem begrenzten Kreis ihrer formalen Probleme, daß sie wie Offen barungen eines höheren Menschentumes in der Umgebung des unpersönlichen Malerhandwerks standen. So ward Klimt der Einzige. Und er blieb es, als sich die Wenigen, die er führte, nach schwachem Anlauf verloren. Eine kurze Bewegung, die in Olbrichs Sezessionshaus ihr größtes Monument hinterließ, verkam im Elend der allgemeinen Unproduktivität. Die künstlerische Jugend war ohne Tradition. Mußte zu dem Einzigen, wollte sie sich erheben, fand als Ausweg nur das Werk und die Tat Klimts. Und kam damit in das Verhängnis des Dualismus der menschlichen und künstlerischen Potenz Klimts. Rein formal gefaßt: das Räumliche, das Wurzelproblem aller Malerei existierte für die künstlerische Anschauung Klimts nicht, seine extreme Subjektivität stellte eine dekorative Endlinie dar, an der es nur Anknüpfungspunkte, nicht aber Möglichkeiten des Weiterführens gab. Anknüpfungspunkte in die Unfruchtbarkeit eines neuen Manierismus hinein, kaum Möglichkeiten direkter Rückkehr zur Natur. Der historische Moment war hoffnungslos. Aber von weiteren und tieferen Gründen her kam die Lösung. Wie immer in Zeiten künst lerischer Erschöpfung, da eine Gegenwart nichts an Fundamenten für eine neue, weiterführende Arbeit zu geben vermag, geniale Begabung in fernere Bezirke der Tradition greift und die weiteren, aber latent ruhenden Voraussetzungen des eigenen Schöpferwillens emporholt, so wurden Kokoschka über Klimt hinaus größte künstlerische Phänomene der Vergangenheit Grundlagen einer neuen Erhebung. Kokoschka blieb die überragende Begabung. Andere folgten. Eine neue Phase der österreichischen Malerei begann. Und ihr Nächstes war: daß sie die besten Linien der Tradition fortführte, daß sie nicht in dialektischem Gegensatz zum Gesamtumkreis der älteren malerischen Entwicklungen entstand. Sondern: das revolutionäre Moment der Erscheinung ihres Formbildes lag gerade in der blendenden Gegenwärtigkeit der besten Energien vergangener Perioden. Das Metaphysische der Gotik und des Barocks sprang wieder in neuer Manifestation einer ursprüng lichen Schöpferkraft auf und erlangte entscheidende Aktualität. Mehr: hob Malerei überhaupt wieder zu ihrem Ursprung, verwies sie auf den innersten Punkt ihrer geistigen Anliegen. Und die neue Bewegung, die Tradition nur brauchte, um über sie hinauszuwachsen, stieg zu weitester Spannung ihres künstlerischen Umfanges, ihrer formalen Ausdrucksmöglichkeiten. Darin liegt der tiefste Grund des Sondercharakters österreichischer Malerei, besonders der deutschen expressio nistischen Entwicklung gegenüber: daß sie nicht auf einem Verzicht aller malerischen Kultur der Vergangenheit aufbaut, als Reaktion auf die malerische Vollendung des Impressionismus, sondern gerade die lebendigen Energien der weiteren künstlerischen Vergangenheit als stärkste Elemente ihrer traditionsreichen Grundstruktur fortführt. Darin liegt die Kultur ihrer farbigen Vollendung, darin ihre unmittelbare Kraft des sinnlichen Erlebnisses. Sie ist nicht entfernt so stark in die Bezirke des Graphischen geraten, in monumentalisierende Abstraktion wie der deutsche Expres sionismus, sondern sie blieb Malerei: die malerische Vitalität des Barocks lebt in ihr und die farbige Lebensfülle Waldmüllers, sie ist naturnah und wächst über die Verbundenheit mit dem realen Weltbild in das Metaphysische. Sie hat den größten Umfang und ist lebendigste Zukunft. Denn in ihr liegen alle jene Voraussetzungen, die große Malerei ermöglichen. Klimts Malerei war Großstadtkunst. Klimt selbst nur im Zentrum, in Wien denkbar. Seit dem Ausgang des Barocks war die Kunstkraft Österreichs in Wien zusammengeflossen. Wie 226