227 3 in ein natürliches Sammelbecken gaben die Provinzen ihre besten Kräfte der Stadt. Die Reaktion auf die Kunst Klimts bringt die Verschiebung. Die künstlerische Bewegung wird gegensätzlich: der verdorrte Boden der Stadt wirft die Begabungen zentrifugal an die Peripherie. In der Abge= schlossenheit der Provinz werden die Geschicke der österreichischen Malerei entschieden. Oder sind bedeutendste Kräfte wie Kokoschka und Wiegele überhaupt an das Ausland verloren. In Wien spielt nur mehr der Reigen der Verkaufsarbeit, des malerischen Handwerks. Mit Schieies Tod schied die bedeutendste bodenständige Kraft. Und in anderem Sinne: mit Schiele versank die letzte Blüte einer Malerei durchaus großstädtischer Prägung. Die Gegenbewegungen sind von andersgearteter menschlicher Erscheinung: strömende Vitalität des Lebensphänomens, nicht müde Großstadtdekadenz, urwüchsig brutale Kraft, nicht lebensmüde Resignation. Eine Jugend wieder, die hofft und wächst. Der die Zukunft gehört. Kokoschka ist ja bereits den Weg in die Welt gegangen. Er ist als machtvollste Potenz weit über den Kreis österreichischer Bedeutung hinaus gewachsen. Aber es sind andere hinter ihm. Anders geartete, aber doch durch gemeinsame Züge des künstlerischen Charakters mit ihm verbundene Kräfte. Österreicher, die das Bild der malerischen Erscheinung der österreichischen Produktion durch beste Züge bereichern. Wie Kolig und Wiegele. Kolig, von außerordentlicher Kraft der malerischen Sinnlichkeit, stärkste Steigerung eines klingenden Farbenpathos, das sich zu barocker Kurve einer mächtigen Gesamtbewegung zusammenfaßt. Und die bewegte Totalität des malerischen Dokumentes erhebt sich zu symbol haftem Gleichnis gesteigertster Lebensempfindung. Wiegele ist kühler, sachlicher. Durchaus auf die Existenz gestellt. Züge der Arbeitsdisziplin und Formcharakteristik Waldmüllers sprechen in dem Gesamtbilde seiner künstlerischen Anschauung. Ein äußerstes Bemühen ringt um die objektive Bewältigung der farbigen und plastischen Erscheinung, Und eine unbeirrbare Kraft der malerischen Intensität umschreibt in kühlfarbigen Bildern das Wunder der Existenz. Koligs heißer Atem durchwellt die Gesamtheit der Schöpfung mit stärkster Bewegung. Jedes Formelement ein Teil dramatischer Aktion. Im Sinne Kokoschkas, doch ohne dessen metaphysische Jenseitigkeiten ,• sondern gerade im Gegensinne: vom Pole der realen Welt aus erscheint das künstlerische Problem zu geistiger Bedeutsamkeit erhoben. Wiegeles Arbeiten fehlt dieser Bewegungsdrang in formalem wie geistigem Sinn, Eine unbewegte Ruhe faßt das Bleibende der Existenz. Legt gerade darin das Wesenhafte des Lebensphänomens fest. Aber über die Grundlinien des verschiedenen Un mittelbarkeitspunktes zum Leben bindet das Gemeinsame der farbigen Kultur, der Reichtum der malerischen Möglichkeiten die künstlerischen Erscheinungen. Und neben Kolig und Wiegele eine Salzburger Künstlergruppe unter der Führung Faistauers, die Wege ähnlicher Richtung verfolgt. Willy Nowak dann, der das Bild österreichischer Malerei im Sinne dekorativer Verfeinerung bereichert. Die besten Traditionen des französischen Impressionismus sind Grundlagen der müden Farbigkeit seiner gobelinartigen Kompositionen. Schiele, der zu noch größerer Differenzierung des künstlerischen Erlebnisses vordrang, wirkt stärker. Ist stärker. Weitaus bedeutender im künstlerischen Format. Nicht nur der dekorativen Intensität seiner persönlich stilisierten Körper fragmente nach, sondern auch in der faszinierenden Gewalt seiner geistigen Abgründe. Eine schmerzliche Lebensqual, die in Krankem und krankhafter Erotik verschwiegenste Bezirke bloßlegt, gibt der femininen Dekadenz Klimts eine neue Wendung. Und Paralleles im Formalen: aus der flächenhaften Dekoration tasten die künstlerischen Dokumente wieder in eine neue Raumwelt hinüber. Schieies Tod versagte die Vollendung: merkwürdige Zwischenstufen neuer plastischer und farbiger Räumlichkeit geben die letzten Bilder als unerfüllte Hoffnungen neuer Ent wicklung. Und als letzte der Begabungen Bödd. Er ruht bereits auf der Generation nach Klimt und seine künstlerischen Ergebnisse lösen sich am stärksten vom Allgemeincharakter des österreichischen Schaffens. Eine neue dekorative Einheit: nicht aber die ornamentale Stilisierung Klimts, die