258 <Moholy»Nagy>. Und sie war seit jeher viel zu voll* blütig, um die Schranken einer blassen Wirklichkeits» darstellung nicht auch im reinen Landschaftsbild aus* drucksvoll komponierend durchzubrechen <Szönyi>. Ludwig Tihanyi. Von Ernst Källai Tihanyi ist der führende Künstler jener ungarischen Bewegung, die vor mehr als zehn Jahren vom Im* pressionismus abschwenkend synthetischen Form* Problemen nach ging und das Wesen der Natur ge* stalten wollte. Anregungen wurden bei Cezanne und Matisse geholt, doch krankte der ganze Versuch an einem völligen Mißverstehen der beiden Franzosen. Einzig Tihanyi war es, dessen Kunst sich als logische und persönlich eigenartige Weiterführung der Ce* zanneschen Form erwiesen hat. Die geschlossene Baugesetzlichkeit Cezannes ist bei Tihanyi bis an die Grenze des Kubismus ent* wickelt. Bis zu einem Punkte, wo organisches Lebens* gefühl und logisches Konstruieren sich noch im Gleich* gewichte halten. Weiter zu gehen, wurde der Künstler durch die warme und sinnliche Vitalität der unga* rischen Erde und ihrer Menschen verhindert, die sich schwer in die Fesseln einer intellektuell errichteten willkürlichen Ordnung schlagen läßt. Anderseits war es eben die vollsäftige, plastische Naturkraft des Formgefühls, die festen Grund und Boden und ein stämmiges Gerüst erforderte, um sich aufrichten zu können. Tihanyi ist dem Prinzip der Naturwesenheit bis auf heute treu geblieben. Die visionäre Ausdrucks* kraft seiner Kunst zeigt, daß diese Beschränkung nicht eine Unzulänglichkeit an geistigerVerinnerlichung be* deutet. Die strenge Baugesetzlichkeit, die Tihanyi in seinen Bildern walten läßt, wird der Natur aus einer Tiefe des menschlichen Bewußtseins vorgeschrieben, wo die bloß feststellende Sinnesanpassung an Ober* flächenreize längst jede Geltung verloren hat. Raum und Form werden nicht mehr als zufälliges und bloß durch die Willkür einer subjektiv optischen und rela* tiven Perspektive geordnetes Aneinandergereihtsein hingenommen, sondern aus ihren Konstellationen in der Natur mit gründlichem Wählen, Ordnen und Verändern herausgearbeitet und dem zentralen Bild* gedanken des in sich geschlossenen Werkes unter* ordnet. Sie werden aus der Lage, Gestalt und Be* wegung nach kontrastierenden, sich schneidenden und durchdringenden, gegenseitig angestemmten Flächen und Linien als restlos determinierte Einheit kon* struiert. Zwar ergeben sich die Zeichen der Tiefen* ausdehnung noch aus Gegensätzen und Abstufungen von Hell und Dunkel, doch auch diese Werte sind, den luftgetränkten Licht* und Schattenverschleierungen des Impressionismus entkleidet, zu einem auf sich selbst beruhenden System kräftiger Lokaltöne stabi* lisiert. Die Farbe schwingt und weht demnach auch nicht in expressionistischer Entfesseltheit. Sie ist vollkommen den Gestaltungsnotwendigkeiten der primären, mehrdimensionalen Raum» und Körper* haftigkeit und darin den Gleichgewichtsanforderungen zwischen tragenden und lastenden Teilen unterworfen. Trotzdem leuchten die meisten Bilder des Künstlers in den stärksten Gegensätzen von Blau und Gelb, Rot und Grün, die aber in einer reichen und fein ab» setzenden Skala von warmen, kräftigen Mischtönen aufgehoben werden. Tihanyis Kompositionen sind auf das Vorherrschen der wagrechten und senkrechten Tendenzen gestellt. Aber diese feste Verankerung und das selbstsichere Emporbauen seiner Bilder erkämpfen sich immer aus einem Netz vielfach gekreuzter Diagonalen. Daher die Mannigfaltigkeit seiner Modellierungswerte und der Reichtum seiner Dynamik, die aber im Gegen» satz zu den meisten jungungarischen Künstlern sich niemals im leicht dekorativ ausartenden Bogenschwung ergeht. In echigen und gekrümmten Bahnen, Locke» rungen und Achsenverschiebungen zuckt und gleitet die Bewegung hastig kreuz und quer, fortwährend über Stockungen, Brechungen und Fragmente hin» wegsetzend. Die Dynamik des Künstlers und seine ganze Form überhaupt, haben ihre größte Bedeutung bisher ent» schieden im Porträt erreicht, mit einer Charakter» gestaltung, die sich tief in den Kern der Persönlichkeit hineinbohrt. Tihanyis Menschen sind Repräsentanten unserer modernen Geistigkeit, die ihre Synthese aus einer zersetzten und chaotischen Dämonie zusammen» raffen muß. Diese stark negativen Momente unserer Zeit sind es, welche den geistreich problematischen und nervösen Zug der Form des Künstlers nicht nur aus innerer, subjektiver Notwendigkeit, sondern auch objektiv motiviert erscheinen lassen und ihren visi» onären Gehalt zur großen Wahrheit erheben. Aus der ungestörten Korrespondierung vollkommen gleichlautender, naturhaft sachlichen und menschlich subjektiven Gestaltungsfaktoren ergibt sich die ganz besonders hervorgehobene magyarische Prägung solcher Landschaften wie die z. B. mit der baufälligen Hütte rechts im Vordergründe und dem sich trotzig» nachlässig emporsteilenden Berg. Die Einheit von Pathos, herrischem Selbstbewußtsein und ödem Sich» gehenlassen ist ein tief magyarischer Wesenszug.