275 l Max Bedunann Die Nackt MAX BECKMANN So sehr die Einheitlichkeit der deutschen Malerei seit Jahrhundertbeginn im Kennzeichnenden ihres inneren Wesens zutage tritt, so groß ist die Differenziertheit im Ausdruck des Formwillens durch den ein gemeinsamer Drang nach Versinnlichung psychischer Erlebnisse Realität zu gewinnen sucht. Es fehlt in Deutschland, soweit man dies heute schon beurteilen kann, die ruhige Konti nuität der Entwicklung, es fehlen die Zusammenschlüsse, die Schulen wie siez. B. die unwesent lichen) durch ein starkes Traditionsgefühl ausgezeichnete Malerei Frankreichs auch heute noch aufzuweisen vermag. Die Unruhe, die sich auch sonst in der geistigen und politischen Entwicklung Neu=Deutschlands nachweisen läßt, das Anknüpfen und Wiederabreißen von Bindungen, die fast immer vom Individuum ausgehend sich immet wieder an Individuen, sei es nun van Gogh, Cezanne oder Grünewald heften, sind ausschließlich Eigentümlichkeiten der deutschen Kunst. Ist nun schon in einer naturalistischen Epoche der Malerei, etwa im Impressionismus das Gesehene jeweils immer ein subjektives Erlebnis, dessen künstlerische Wiedergabe persönlicher Auffassung unterworfen bleibt, um wieviel mehr muß ein krasser Subjektivismus in einer Periode vorherr* sehend sein, die fast ausschließlich von seelischen Erlebnissen des einzelnen Individuums ihren Ausgang nimmt. Von diesen Gesichtspunkten aus ist auch die Kunst Max Beckmanns zu be* trachten. Wie die meisten älteren Vorkämpfer des Expressionismus war auch Beckmann in der ersten Periode seiner künstlerischen Entwicklung Impressionist, d. h. hier Interpret einer Sinnlichkeit, die stets von der Wichtigkeit des Dargestellten beherrscht blieb. Der Drang nach schöner Malerei ergab die Forderung nach vollendeter Beherrschung des Mittels. Eine Grundlage solidester Art, die allen Belastungsproben der Folgezeit standzuhalten vermochte, ward dadurch geschaffen. Die künstlerische Revolution, die im Frankreich' van Goghs und Cezannes vorbereitet, die deutsche Kunst im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts voll erfaßte, traf den Künstler wohl vorbereitet.