286 auch als Dichter. Seine jeder Logik und Psychologie trotzenden Gedickte grenzen ans Dadaistische. —■ Czyzewski weiß, daß der heutige schwer ums Dasein kämpfende Mensch viel zu wenig Zeit hat, um große »lyrische« Werke zu betrachten. Der entgeistigte und durch die kapitälistische Wirtschaft mechanisierte Mensch will kurze, wilde Eindrücke und diese soll ihm die neue Kunst, die mit Abkürzungen arbeitet, geben. Manche Künstler geben sich der Illusion hin, daß dies der Weg zur Demokratisierung der Kunst sei. Wir sehen dagegen in jeder echten Kunst Wur® zeln einer neuen aristokratischen Gesinnung, weil jede neue und echte Kunst exklusiv, einsam, werte® schaffend, revolutionär ist. Von Einflüssen kann man bei Czyzewski überhaupt nicht sprechen. Seinen Geschmack bildete er an französischen Meistern und an den unzähligen polnischen Glasprimitiven. Er schaltet ganz bewußt alles Literaturhafte, Inhaltliche aus und haben wir es hier mit einem metaphysischen Kosmos, mit einem eigenen künstlerischen Bereich zu tun, das uns ganz eigenartig durch Formen, Farben und Konstruktion anmutet. Er malt Stilleben, deren Dämonie manchmal niederdrückt. Manchmal wiede® rum sind sie der Ausdruck reinster Poesie oder primi® tivster künstlerischer Mittel, ganz naiv und flach. — Obwohl ihn Farbprobleme absorbieren, malt er ei® gentlich nicht, sondern konstruiert. Er nennt auch meistens seine Bilder »Formkompositionen« und das besagt bei diesem Künstler fast alles. Seine »Ma® donna« ist konstruktiv betrachtet ein Künstlerwerk par excellence. Auf der Suche nach neuen Formen verläßt er die einflächige Malerei und schafft — viel® leicht zum erstenmal in der Geschichte der plastischen Künste — vielflächige Kompositionen, die genetisch zwischen der Malerei und Skulptur stehen. »Salome«, Landschaft mit Sonne, »Kopfstudie«, Formenkomposition I und II sind historische Doku® mente in der Entwicklung neuer Kunst. Es steckt in ihnen etwas Grausames, Apokalyptisches, ein Kampf aller Elemente. Der Künstler äußerte sich folgendermaßen über seine Kompositionen: Ich kon® struiere einige asymetrische Flächen und verbinde sie miteinander. Ich will damit ein kompositionelles Ver» hältnis der diese Flächen schneidenden Linien sowie das Verhältnis der Flächen zu einander geben. Dies ist eine Zerstörung der gewöhnlichen Rhytmik ein® flächiger und symmetrischer Bilder <die fast immer Quadrate und Rechtecke sind, weshalb sie monoton und unrhytmisch wirken). An Stelle des Bildes gebe ich Komposition und das Verhältnis asymmetrischer Flächen zueinander, die eine Art »architektonischer« Rhytmik für die sie ausfüllenden Linien bilden. Henryk Gotlib kam zum Formismus, wie er sich selbst äußerte, von der Architektur. Sein Talent entzündet sich an großen kompakten Massen, die er mit Vorliebe gestaltet. Er strebt zur Ganzheit, zur H. Gotlib St. Marienkirche in Moskau