297 H. M. Davringhausen Der Andere (Herbst-Ausstelllung 1921) H. M. Davringhausen (Herbst-Ausstellung 1921) Die Zwei BÜCHER Max Picard: »Der Letzte Mensdi«. 1921. E. P. Tal u. Co. Verlag. Leipzig, Wien, Zürich. Endlich wurde ein Buch geschrieben, still, schön, vor® nehm, ein aufreizendes Buch von neuem Schöpfungs® radius,das der Bevormundung verbrecherischer Helden entgeht. Ein Orgelwerk tiefglutender Einsamkeit. Daß es als Buch geschrieben wurde, war vielleicht nur zu® fällige Wandlungsäußerlichkeit. Sie hätte auch eine andere Form annehmen können. In bedingter Ab® grenzung etwa als Kathedrale, als Kino <das jede stoffliche Knebelung zerschlägt), als Gebet, als Bild® Oratorium, halb als Dada®Artefakt, halb als Weihe® spiel. Ein unglaublich rätselhaftes Gefüge hat sich hier in den Achsen des Denkenmüssens über Schicksal hin® weg auskristallisiert. Dieses Buch stört den Verkehr der Kritiker, der Historiker bedenklich. Hast du die Schöpfung in dir, so wächst diese »Literatur« zum Hohenlied. So wie Kant seine Anthropologie ge® schrieben hat, so formuliert Picard seine eigene Anthropologie. Mehrmals schon wurde der Mensch zu Grabe getragen von allen Heiligen, und wieder geboren, gefordert, von Buddha, Christus bis zu Lud® wig Rubiner. Die humanitäre Weltbreite, sicherlich als Ethos groß und erhaben, vollzieht ihren Ablauf in gegebenen Schaffensbahnen, vom optimistischen Fortschrittsgeist beseelt. Picard setzt neben die hero® ische Gesinnung eine unerhörte Welt neuer Dimen sionen. Was ein Chagall im Bild gemalt, hat hier ein Dichter in heißer Anschaulichkeit erfühlt. Eine Magie des Seins hebt an, die organische und psychische Trans® formation des Menschen (reicht diese Vorstellung noch aus? ...) durcheilt grotesk die Raumstruktur taumeln® der Gebilde. Der Mensch, die nackte Balance zur Welt zu suchen, der längst seine Wachheit, sein Gesicht verlor, verbrennt im Gestühl kompakt blinder Leiber. Niemals hat die Tragödie menschlicher Werte so uner® bittlich, so konsequent in einem Künstler®Philosophen gerungen, geflammt, den Abgrund sündiger Glieder härter, schicksalstoller geschlagen. Die Flucht vor dem Blute, vor der Qual, vor dem Gleichnis des Bildes, die Konfiskation des Menschen auf dem realen Globus treibt Horizonten zu, wo das Aufhorchen der Ge schlechter verlischt, wo bettelarm ein zerschlagenes Träumen die Herzensnot aller vernichtet, um aus dem unsichtbaren unmenschlichenEndschauspiel diestumme großeWahrheit heilend zu gebären. Masse Geschöpf,