311 4 O wie schön ist sie. Ater ist sie nicht zu schön und zu gewaltig? Geraten die Herzen nicht in große Verwirrung? Ist allzu tiefe Schönheit nicht ein Verhängnis, das tötet, das blendet, das rettungslos verzehrt? Daß wir ganz verfallen und ganz zerfallen? Ja, wenn sie leibhaftig wäre, dann wären alle verwirrt vom Glück, dann würden sie zu rasch laufen und zu plötzlich begehren,- sie würden einander verraten und sich gegenseitig steinigen. Aber sie weiß es. Wie könnte sie selbst auch fehl gehen und fehl greifen, .die doch erlöst ist und die Welt durchlebt hat. Deshalb blieb sie nur Bild. Ist nur Traum. Deshalb bleibt sie still in der Tiefe der Ahnung, strömt lautlos durch das Blut, steigt nur manchmal herauf in die Bliche der Menschen, wenn sie in uferlose Weite schauen. Siehe, da ist sie. Oder sie entgleitet den liebkosenden Händen eines ganz Inbrünstigen. Ver wehrt sich nicht sei nem Lächeln und sei nem Begehr und der Glut seines Glau= bens.Läßtihngewäh^ ren, sich ein Bild zu machen, darin er alles abtut, was ihn fesselte undwas ihn beglückte. O sie ist gnädig und sehr gütig. Und dann begreift sie wohl, daß den Schwachen und denen, die mit dem Leben eilen, solch ein Anblick wohltut. Dann mahnt sie oder besänftigt oder ver= führt wohl auch ein wenig. So steht sie an vielen Orten, denn nur wenige wissen, Kwannon^Statue (Teilstück) daß sie ja überall ist,- an vielen Orten in schwerem Stein oder in funkelnder Bronze oder im warmen Holz. Da ließ sie sich fesseln, aber nicht zu nahe und nicht zu heiß; ganz frei von den roten Träumen des Blutes, von der Verwirrung des Atems und des DuL tes. Ist nur ein Lä^= ch ein. Aber sie tut gerne, was die Menschen möchten und gewährt ihnen den Anblick, der sie entzückt und zu Gott hinüber schmeichelt. Ihr Leib ist Holz, aus der Er= de Jahr um Jahr ge= wachsen,- ihre Haut ist ein Geriesel der Masern, der alten Züge und Ringe all der Ströme, die aus der Erdezum Himmel stiegen, verwesten und verbrannten und verwitterten,- harte Asche wurden. Und ihr Leib trägt unsere Züge,- trägt unsere Kostbarkeit und unsere Fehler, unser Gewand und unser Gesicht. Wie mütterlich ist dieser Schoß, wie sanft und sommerlich die Falten. Wie fließt die süße Rundung der Lenden über in den Schatten der Schenkel. Und selbst das Gewand vergißt nicht, sich zu bauschen und zu falten, wie wir es für schön und recht halten. Und wie die Schultern sich entfalten, gleich Flügel aus der straffen Kühle der Brust. Und der Hals ist nicht zu starr und steil, nein, er läßt das Antlitz ganz nahe, wie einen goldenen Vollmond,- läßt das Haupt herniederblicken mit seiner tiefen Schwere von Weisheit und