319 6 Hodiarmenien, Kloster Narek alsbald verbrennt. Aber die großen Linien der vulkanischen Felsen, die kristallischen Blöcke des Basalts, die tiefen Schluchten und das endlose steinige Plateau, die das Leben allseits eindämmen, drängen zum Erkennen überpersönlicher Gesetze, denen der Mensch untersteht. Deshalb ist er bedürfnislos und bescheiden und kennt den kargen Besitz des Bodens nur als ein Notwendiges und Genügendes, das jedes neunte Jahr der neuen Kopfzahl der Familie entsprechend aufgeteilt wird, als ein Gemeinsames, das wie das spärliche Wasser, zur Bewässerung dieses Bodens jedem für bestimmte Frist zugeteilt wird. Dieser Kommunismus hat aber ein Ende, wo der Einzelne dem Boden mehr als das Nötige abringt, wo er einen Baum pflanzt oder neue Bewässerungs möglichkeiten schafft. So diktiert die Natur die Gesetze und macht den Menschen streng und rauh nach Außen, aber kettet ihn um so enger aneinander in den Formen uralter patriarchalischer Gemeinsamkeit. Schwer lastet die Natur auf ihm, macht ihn bedächtig, aber zähe und beständig, solange er an diesem Boden haftet. Und jener andere Mensch hingegen, in der Fülle seiner Natur? — Hier sind die natürlichen Pforten Persiens, mag die Politik die Grenzen wie immer ziehen. Ein hochgebildeter Türke, dem Persien eine zweite Heimat wurde, wollte mir den Geist dieses Volkes beschreiben — er sagte: »Da trägt ein Knabe seine Bürde auf dem Rücken, er findet eine Blume am Wege, pflückt sie und springt freudig weiter ohne der Last zu gedenken.« Und er hatte alles gesagt. — Hier freilich im Umkreis des Ararat, zumal in Erivan, sind die Perser gegenwärtig zurückgedrängt, wenngleich ein gut Teil ihres Blutes in den Adern der andern Mohammedaner fließt. Aber sowohl in diesen, den Tartaren, als auch in dem andern Hauptteil der Bevölkerung, den christlichen, hier über ihr eigentliches Heimatsbereich herabgedrungenen Armeniern, ist die Fülle dieser Landschaft lebendig geworden. Aus den Primitivformen des Nomaden und Hirtenlebens sind sie zu städtischem Reichtum gelangt, verfeinerte Bildung ersetzt die volkstümliche Kraft des Empfindens und Fühlens, aus der Gleichheit und Beharrung ursprünglicher Lebensformen sind sie in die Differenzierung u nd den fortschreitenden Wandel der Zivilisation eingetreten. Damit hat sich ihre Seele