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Marksturz! Sie sank von der stolzen Höhe von 60
auf 5 und ist dann nur ganz kurze Zeit über 10
hinausgegangen. Inzwischen waren die Lager=Regale
der wissenschaftlichen Verleger geräumt, die Vorräte
in Friedensausstattung einiger belletristischer Verleger
stark zusammengeschmolzen und die Auslandssorti®
menter erließen Proteste gegen die deutsche Kon®
kurrenz, trotzdem sie gerade den Marksturz zu recht
gewinnreichen Valutageschäften benutzt hatten.
Da entstand über Nacht das Schlagwort »Ver®
Schleuderung des deutschen Geistesproduktes.« Man
stellte dieses auf die gleiche Stufe mit Kali/ Kohlen,
Farben und optischen Instrumenten und übersah, daß
diese das Ausland unbedingt braucht, während das
Buch dem Schweizer, dem Skandinavier wohl will®
kommen aber kein unbedingtes Bedürfnis ist, bis auf
einige wissenschaftliche Werke und Volksbildungs®
mittel. Man ignorierte mit diesem Modewort, dem
sofort ein patriotisches Mäntelchen umgehängt wurde,
die eminent kulturelle und dadurch politische Bedeu
tung der Überschwemmung des Auslandes mit dem
deutschen Buch.
Im Januar 1920 betrug der Preis des deutschen
Buches durchschnittlich das Doppelte des Jahres 1914
und die Mark stand wenig über 5. Heute ist der Preis
auf den 5—7 fachen Betrag gestiegen, die Mark steht
auf annähernd 10 und derWeltmarktpreis ist bei unsern
Büchern nicht nur erreicht, sondern überschritten. Dabei
ist die Durchschnittsqualität besonders bei der belle
tristischen Literatur eine traurige. Dieses Schlagwort
von der Verschleuderung wurde von einer kleinen
Gruppe — hauptsächlich wissenschaftlicher Verleger —
erfunden, zu denen sich merkwürdigerweise ein großer
belletristischer Verlag gesellte,- der an der Konjunktur
hochzeit besonders lebhaft teilgenommen hatte.
Solange die »Verkaufsordnung für Auslands®
lieferungen« eine interne Angelegenheit des Buch®
handeis war, wurde sie nicht allzu tragisch genommen
und nur von einigen ängstlichen Gemütern beachtet.
Auf Veranlassung des Vorstandes des Börsen vereins
aber wurde diese Verkaufsordnung durch das Reich
geschützt und mit drakonischen Strafen umstellt.
Die Verkaufsordnung umfaßt 12 Paragraphen mit
einer Reihe Hnterparagraphen und setzt kurz fol®
gendes fest:
Die deutschen Laden® und Nettopreise von Büchern
sind entweder in die Währung des Empfangslandes
umzurechnen oder durch einen Valutaausgleich bei der
Berechnung in deutscher Währung zu erhöhen. Die
Umrechnungskurse oder die Valutaausgleiche werden
vom Vorstand des Börsenvereins für die einzelnen
Länder festgesetzt und wurden in den ersten Monaten,
in derMitte einer jeden Woche, seiteinigerZeiteninbe®
deutend längeren Zwischenräumen im Buchhändler®
Börsenblatt bekannt gegeben. Der Teuerungszuschlag
derNotstandsordnung<Sortimenterzuschlag)istaußer®
dem bei den Lieferungen zu berechnen. Der §12 be®
stimmt die Verteilung des Valutagewinnes, indem er
den Verleger 8 /* dem Sortimenter 1 U zuspricht. Diesem
wird auferlegt, bei Bestellungen für Auslandsliefe®
rungen solche entsprechend zu bezeichnen und dem
Verleger mindestens monatlich einmal zu melden,
welche zu Inlandspreisen bezogenen Waren sie von
ihrem Lager für Lieferungen ins Ausland entnommen
haben.
Die Kontrolle dieses ganzen Apparates unterliegt
der Außenhandelsnebenstelle für das Buchgewerbe,
welche in den verschiedenen größeren Städten Zweig®
stellen dieser Außenhandelsnebenstelle eingerichtet hat.
Der Wiederverkäufer muß nun diesen Außenhandels®
nebenstellen bei jeder Auslandslieferung die Berech®
nung seiner Sendung in zwei® bis dreifacher Aus®
fertigung einreichen und die Filialen bestimmen, ob
die Berechnung des Sortimenters richtig sei oder
nicht, d. h. ob auf den Ladenpreis der jeweils fest®
gesetzte Valutaaufschlag richtig berechnet sei oder
nicht, ob die Einreichung eines jeden Buches unter
die vorgesehenen Ausnahmen berechtigt sei oder
nicht, ob z. B. ein vergriffener Luxusdruck einen an®
gemessenen Liebhaberpreis habe oder nicht, ob dies
oder jene Werk — als Antiquariat, modernes Anti®
quariat, Restauflage eingestellt — vor 1900 erschienen
ist oder nicht usw. usw. Nun gab es bekanntlich
während des ganzen Jahres 1920 bei den sprunghaften
Preisänderungen der Verleger überhaupt keinen festen
Ladenpreis. Der eine Sortimenter, welcher im Januar
1920 mit 50 Exemplaren eines gutgehenden Buches
sich eingedeckt hatte, verkaufte dieses noch im Juli
zu dem Januarpreis, in welchem Monat ein kleinerer
Sortimenter für dasselbe Buch schon den doppelten
Preis verlangen mußte. Der Preis dieses Buches war
im Oktober aber schon wieder um 50% höher. Das
früher mustergültige und maßgebende bibliographiche
Hilfsmittel, der Hinrichs®Katalog und der Barsorti®
mentskatalog, versagte oder erschien nicht. Es wurde
also den Beamten der Außenhandelsstellen eine Wis®
senheit und Weisheit zugemutet, die während dieses
ganzen Jahres kein Sortimenter zu besitzen sich rühmen
durfte. Ich lasse es dahin gestellt sein, ob bei der Be®
Setzung dieserBeamtenstellenKräfte gewonnen werden
konnten, die mit so überaus praktischen Sortiments®
kenntnissen ausgestattet waren, daß sie das Wissen
eines jeden Buchhändlers übertrafen. Wir sehen also,
daß schon bei der Preiskontrolle die Valutaordnung
versagen mußte und durchweg versagt hat. Es wurde
uns ja sogar zugemutet, einem deutschen Kunden,
der aus Gesundheitsrücksichten einige Zeit in der
Schweiz leben mußte, diesen Valutaaufschlag zu be®
rechnen. Nehmen wir nun einmal an, das Ausland hätte
sich diese Preisaufschläge gefallen lassen und der E x ®
port wäre durch den rechtmäßigen Handel weiterge®
gangen, so gehört diePhantasie eines Wellsdazu, sich