169
Modellieren des Pinsels, das ist beste nieder*
ländische Tradition und diese technische Tradition
beizubehalten, kann auch für die neue geistige
Ausdrucksweise der Malkunst keine Einbuße
sein.
Petrus Alma ist weitaus gehirnlicher als
Sliuters und andererseits verfolgt er mit seiner
Malerei ausgesprochen ethische Ziele. Im Grunde
genommen, verneint die Kunst Almas diejenige
von Sluiters, aber die erwähnten spezifisch hol*
ländischen Kunstverhältnisse bringen es mit sich,
daß man dennoch einträchtig mit* und neben
einander ausstellt. Den Gemälden Sluiters, die
Genußobjekte sind und reich und optimistisch
tönen, stellt Petrus Alma Tafeln gegenüber, die
sich nicht an die schlürfenden Geschmacksnerven
des Betrachters, sondern an dessen Gewissen
wenden sollen. P. Alma sucht nicht den hoch
gepflegten Einzelnen, sondern die Masse mit
seinen Darstellungen zu erreichen. Er geht des*
wegen von Begriffen und Zuständen aus, die
schon im Thema der Verständniskraft des ein*
fachen Volksgenies sind. Damit führt ihn der
Weg von allein aus dem Gehege des St-affelei*
bildes hinweg zur Großmalerei auf Mauers*
wand. Die von ihm ausgestellte Tafel »Rote
Garde« hat aus der Freiheit des Staffeleibildes
sich wieder heim gefunden in die unmittelbare
Bindung von Schilderung und Gebäudemauer.
Die Schematisierung der Gesichter und der Hai*
tung schwächt nicht die ausströmende Energie
des Vortrags, verstärkt ihn vielmehr und sagt
deutlichst — wenn auch ohne platte Tendenz —,
daß es hier um eine sozialistisch*revolutionäre
Gesinnungsbekanntgabe geht.
Der eingeladene Flame Gustave de Smet,
dem gleichfalls eine Sonderabteilung eingeräumt
war, gehört zu den hervorstechenden Vertretern
des neuen Belgiens. Er begann als Luminist in
der Art von E. Claus und erlebte erst als ein
Vierziger den schicksalhaften Zwang, sich von
dieser gefälligen Arbeitsweise und dieser hin*
nehmenden, lediglich nachbuchstabierenden Weit*
auffassung frei zu machen. Das Erlebnis rüt*
telte das Unterste zu oberst. Alles mühsam
erworbene, schöne Können flog gnadenlos in
die Ecke. Leben, Sehen, Ausdrücken mußte
von den Ursprüngen neu aufgebaut werden.
Im Maße wie die Befreiung an Weite zunahm,
vermehrte sich auch das Ungestüm. De Smet
schafft wie im Fieber. Sein Atelier ist vollge*
stülpt mit Leinewänden. Diesen Monat wird
er in Brüssel, im Mai in Paris eine größere Aus*
Stellung halten. Um kennen zu lernen, welcher
persönlichen, blutdurchpulsten Ausbildung der
Expressionismus fähig ist der Einwand, er
entpersönliche, entnationalisiere die Kunst und
mache sie dadurch einförmig, ist nicht ganz un*
berechtigt — wäre es wichtig, daß man den
Maler entlüde, seine Bilder auch einmal in
Deutschland auszustellen.
Im Haag. F. M. Huebner.
Amsterdamer Kunstversteigerungen
Leonce Rosenberg in Firma »TEffort mo*
derne«, Paris, hat den glücklichen Gedanken ge
habt, einen Stapel kubistischer Gemälde nach
Amsterdam zu verfrachten und hier eine Kunst*
Versteigerung abzuhalten. Es war die erste
umfassende Kubismus*Einfuhr nach Holland
und das Ergebnis, welches in Deutschland all*
gemein bekannt sein dürfte, zeigt wie gesagt,
daß Rosenberg als Kaufmann richtig rechnete.
Von den etwa 160 Nummern des Verkaufs*
katalogs wurden mehr als zwei Drittel, nämlich
120Bilder,beieinemGesamterlösvonl7000Gul*
den losgeschlagen. Diese Summe {ungefähr
470 000 M. darstellend) ist das Doppelte dessen,
was Rosenberg in Paris für dieselbe Bilder*
menge erhalten haben würde. Neben der markt*
mäßigen Bedeutsamkeit der Versteigerung liegt
die Lehre derselben für die weiteren Kreise
darin, daß sie zeigt, wie in Holland Sammler*
interesse auch für die allerletzten Kunstschöpf*
ungen besteht. Es handelt sich eben nur um
die Aufmachung,- Angebote seitens deutscher
Künstler und Händler ziehen nicht genügend in
Betracht, daß man den Holländern nicht mit
Gelärm und mit der Miene der Überlegenheit
kommen muß, sondern daß man sie nur mit
einer gewissen Kultur und Gepflegheit des an*
bietenden Auftretens gewinnt.
Bei Frederik Müller kamen Anfang April
einige Privatkollektionen mit holländischen