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jungen Handwerker — und der Künstler war ja ein Handwerker —
übliche Wanderschaft anzutreten. Wir wissen nicht allzu viel über
seine Wanderjahre, wenn auch die Forschung sich bemüht hat, diese
Zeit aufzuhellen. Eins aber ist sicher: der junge Künstler ist nach
Westen gezogen; Basel, Straßburg, Kolmar wurden von ihm berührt.
In Kolmar wirkte der Künstler, zu dem es Dürer offenbar hinzog,
Martin Schongauer, der in seinen berühmten Stichen das spitze,
gelenkschlanke Formideal des ausgehenden 15. Jahrhunderts und
seine Vorliebe für das gefühlsam Zarte vollkommen zum Ausdruck
brachte. Dürer hat von Schongauer, den er zwar nicht mehr am Leben
getroffen haben dürfte, der aber in seiner Schule und in seinen
graphischen Blättern weiterlebte, vieles gelernt. Das zeigt sich immer
wieder in seinen frühen Stichen. Einer von ihnen, eine Madonna auf
der Mondsichel, ist eine Variation über ein von einem Schongauer-
stich angeschlagenes Thema.
Aus der Wanderzeit besitzen wir ein Werk der Graphik, das für Dürer
gesichert ist, einen Holzschnitt des Heiligen Hieronymus, der dem
Löwen einen Dorn aus der Pfote zieht. Das Blatt, zu dem der Holzstock
in Basel noch erhalten ist, hält sich in seiner einfachen linearen
Durchsichtigkeit durchaus im Rahmen der Nürnberger Tradition, und
man muß schon genau hinsehen, um darin die Klaue des Löwen zu
erkennen.
Uebergehen wir die von der Forschung eifrig diskutierte Frage, ob
eine große Gruppe von Holzschnitten, die für Basler Buchausgaben
gedruckt wurden, von Dürers Hand stammen, und folgen wir dem
Künstler nach Nürnberg, wohin er 1494 zurückkehrte, und wo er einen
eigenen Hausstand gründete. Doch schon im gleichen Jahr verließ er
die Vaterstadt von neuem. Hat wirklich eine dort herrschende Pest
ihn getrieben, oder vielleicht doch das Gefühl, noch nicht fertig zu
sein, die Wanderjahre noch nicht abgeschlossen zu haben? Jedenfalls
geht er jenem Erlebnis entgegen, das für ihn entscheidend und im
wahren Sinn des Wortes schicksalhaft werden sollte: Italien. 1494/95
steht er in Venedig dem italienischen Leben und der italienischen
Kunst gegenüber. Man darf die Erschütterung, die das für ihn be-
deutete, mit der eines anderen großen Deutschen vergleichen, Goethes,
der 300 Jahre später im gleichen Venedig zum erstenmal mit Italien
in nähere Berührung kam.
Italien hat Dürer von diesem Augenblick an nicht mehr losgelassen;
und das italienische Leben hat ihm vielleicht ebenso viel Eindruck
gemacht wie die italienische Kunst. Der freiere Lebensstil, die höhere
Schätzung des Künstlers unter einem Volk von natürlicher Sinnlich-