84 GEORGE GROSZ im Spiegel der Kritik. „Mündiener Zeitung Nr. 126" ... Bei Goltz sind Bilder und Zeichnungen von George „Hamburger Fremdenblatt" vom 8. Mai 1920 . . . George Grosz. Ein Maler der Scheußlichkeit. Das * • Grosz ausgestellt. Der gemeinsame Titel dieser „Kunst® Werk des Deutschamerikaners George Grosz, der werke" müßte heißen: Bordell und Irrenhaus. Diese Fest zur Zeit bei Goltz in der Galerie Neue Kunst Gemälde, Stellung genügt. Jedes Wort weiter über diese Kultur® Aquarelle und Graphik zeigt, verdient besondere Beach schände wäre eine Versündigung an uns selbst. rr Bayer. Kurier" Nr. 133/34 ... CR. Braungart.) tung. Grosz will das Bild einer Welt geben, und zwar unserer Welt, die sich, in wahnwitzigem Tempo von Sen® sation zu Sensation gejagt, am krassesten in der Groß® In der Galerie Goltz wird eine Ausstellung von stadt manifestiert. Ihrem Bannkreis entnimmt er daher GeorgeGrosz vorgeführt. Eine widerliche Mischung von seine Stoffe, die er mit einer satirischen, vor keiner Be® Neuruppiner Bilderbögen, italienischem Futurismus^ einer stialität der Linie und Farbe zurückscheuenden Wucht zu® „Volkskunst", wie sie in gewissen geheimen Kabinetten sammenballt, die stellenweise an die gigantischen Kari® 1 • von Kantinen zu finden ist, und von robuster, unbeleckter katuren eines Daumier erinnert. Grosz setzt eine Fülle oiom^ ist ^ aus dem dieses tolle von Menschen, Dingen, Farben und Lichtern nebeneinander Gemenge von Farben und Formen, unter wüstem Ge- und ordnet sie durch große kompositionelle Motive, wie schrei und Gejohl, in brünstigen Exstasen von wilden, beispielsweise Aufteilung der Fläche durch ein Netz von ungezügelten Instinkten emporwächst. In den Gemälden Diagonalen, in ein System, das alle Einzelheiten zueinan- der in Beziehung setzt und ihnen dadurch erst Ausdruck und Stoßkraft verleiht. Sein Bild „Der Abenteurer" zum und Zeichnungen kommt das Erotisch-Sexuelle immer wieder in jener Brutalität zum Durchbruch, wie sie nur in den letzten Zuckungen eines durch Bordellmilieu bis Beispiel ist nicht das Bild eines Mannes mit einem ein- zur Impotenz erschöpften Vorstellungskunst gewinnen« maligen Schicksal, sondern es ist Amerika schlechthin, das kann. Vielleicht wird man diese Aussetzungen als nicht Amerika der Abenteurerromantik, der wirbelnden Hast von der Kunst, sondern von der Ethik ausgehend, an des Broadway-Lebens, das Land der unbegrenzten Mög- gewissen Stellen für vollkommen verfehlt finden, obwohl lichkeiten, in dem dieser freche Halunke, der mit gespreizten man auch hier im Vergleich mit anderen Zeiten darauf Beinen, Revolver in den erhobenen Fäusten, breitspurig hinweisen kann, daß man Sinnlichkeit und selbst Erotik vor einem flirrenden Hintergrund steht, der ungekrönte in der Kunst früher entweder blutvoller und elementarer, König ist. Dem „Abenteurer" gegenüber hängt das um- oder graziöser und liebenswürdiger darzustellen verstand. fassendste Werk dieses Malers: „Deutschland, einWinter- Aber wenn man auch nicht nach neuer Geistigkeit in märchen". War jenes rein künstlerische Gestaltung einer dieser neuen Kunst sucht, wird man auch im rein Künst bunten und hastenden Welt, so ist dieses in erster Linie lerischen dieselbe brutale, ungeregelte Geistesverfassung politischer Kampfruf, eine gellende Anklage gegen die finden. Man glaubt allein mit barbarischer Vertierung hinter uns liegende Epoche. Vier Figuren sind hier die einen neuen Stil erzeugen zu können. Man geht auf die ruhenden Pole in der Erscheinungen Flucht. Unten der ^ * t ' Kunst primitiver Völker zurück und hängt, um dies be- Geistliche, der General und der Oberlehrer/ darüber — sonders stark zu betonen, Holzplastiken von Südseeinsu- als Bildzentrum — der Mann, den Kornfeld den „Teufel" lanern neben den Bildern aus. Allerdings, wer sehen nennt, der Spießer in seiner ganzen sturen Unerschütter- will, der sieht! Dort, bei den „Wilden", ein unge- lichkeit. Als Hintergrund ein tolles Durcheinander von schriebenes Stilgesetz, das alles nach dämonisch-lüsternen Mietshäusern, Kasernen, Fabriken, Reklameschildern und Vorstellungen bildet, aber innerlich einen sicheren Halt vielen anderen Insignien unserer Zeit. Auf einem Tisch hat. Hier beim Nachahmen, Nachempfinden, nur eine in der Mitte des Bildes kleben eine Nummer des Lokal- Kleinigkeit, die mehr sagt als alles andere. Er, der doch anzeigers und ein paar Lebensmittelkarten. So weit geht weg vom Naturalismus zu neuen geschauten und „ver- hier der Drang des Malers nach krassester Wiedergabe, geistigten" Formen will, klebt auf seinem Bilde des Kriegs- daß sogar die Dinge selbst in den Rahmen einbezogen hetzers einen wirklichen Ausschnitt aus dem „Berliner werden. Was Grosz sonst noch ausstellt, ist Ausspinnung Lokalanzeiger", eine Brot- und eine Eierkarte mitten auf desselben Themas. Er will zeigen, welch eine Fülle von den gemalten Tisch! Nichts könnte den scheußlichen Lastern, Gemeinheit und Bestialität des Menschen diese Panoptikumsgeschmack, das Kitschige der inneren Geistes Verfassung besser dokumentieren, aus der eine solche Stil „Kulturepoche'' ausgebrütet hat. Nichts verschleiert dieser Fanatiker der Anklage. Er malt Menschen, denen die losigkeit erwachsen ist. Wann wird das deutsche Volk Kleider nur als durchsichtige Hüllen über kranken, schlaffen, und die deutsche Presse in ihrer Gesamtheit den Mut gedunsenen Körpern sitzen, und andere, deren Herz als und die geistige Gesundheit wieder gewonnen haben, um Ausgangspunkt aller Ekstasen in greller Deutlichkeit aus das, was ihnen Snobs, geistige Jongleure, Fremdstämmige bunten Kleidern leuchtet. Was diese Bilder aus der Sphäre und Gewinnler als die neue, wahre Kunst aufschwatzen, politischen Kampfgeschr;eies in die der Kunst hebt, ist die mit entschiedenster Entrüstung zurückzuweisen? CDr. gO virtuose Behandlung der künstlerischen Mittel, vor allem der Farbe. Während sie im „Abenteurer", der imwesent-