und Gerechtigkeit zu wecken. Leider wird das Gebot l . * • V ' V 1 ‘ ' 4 immer wieder umgangen. Die latente Hetze, der stichelnde Hinweis auf die Nachtseite des nordischen Stadtungetüms ruht nicht. Man sucht und findet jede Gelegenheit, das Münchener Urteil zur Einseitigkeit zu erziehen. Wer als geborener Berliner lange in München lebt und München lieb hat, ohne Berlin zu verraten, behält die objektive Kontrolle. In solche Sphäre unfruchtbarer Antipathie, grollender Auflehnung, die abhängiger bleibt, als sie weiß, kam ein berlinisches Kunstwerk nach München, dessen Nutzen und Schaden problematisch ist. Man kann sagen, das hat uns gerade noch zur Ungerechtigkeit gefehlt, und man kann auch sagen, das fehlte, um die objektiv Ge- willten gerechter werden zu lassen. In der Galerie Hans Goltz sind die Arbeiten von George Grosz zu sehen, Bilder und Graphik. Aus den • • i * f *4* . ä Straßen Münchens trat man unvorbereitet vor diese Be- schwörung des deutschen Infernos. Es gibt ästhetisch strafbare Gegensätze. Unerträglichkeiten müssen ver- •i f # • * 'i ^ | * * * # * 1 l \ • ♦ # • ^ # t • worfen werden, denn wir haben gezeigt, was wir ertragen können. Ich persönlich empfand, diesem mir noch un- l * M * * _ i • ^ | » * • • bekannten Künstler vorgestellt, einen harten Schlag, denn ich kam von einer jener Münchener Sehnsuchtswande- #4* • * • I ^ f •|f* 4§ A 4 0 % \ ^ rungen, die dauernde Jugend bis ins Alter tragen, die gerade in dem nach Süden verschlagenen Berliner keine # * % + t * ' ' * % f * • m * / # Sentimentalitäten, sondern Vertrauen auf freie, versöhnte Weltentfaltung sind. Solche Gedanken hatte ich auch wieder in den dunklen Begriff meiner Heimat hinauf® % m # • f gesandt, und nun stand ich plötzlich vor einem Boten dieser Heimat. Freilich war ich zuletzt noch in der Hohen® zollernstadt gewesen/ die Revolution Berlins habe ich nicht miterlebt, aber ich denke mich ganz gut in sie hinein. Rauh und flatternd vom Vergangenem abgerissen, er® scheint die Kunst von George Grosz als Kind der Berliner 9 9 • (9 4 k ® a Revolutionszeit. Nicht der Ideen, die auch den Himmels® • . T • - ' • , dunst der Weltstadt durchleuchten, sondern der ratlosen Menschen des Überganges zwischen Bekenntnissen, Leiden, Hoffnungen — Genüssen. Eine Hölle brennt am lichten Tage der Sichtbarkeit — ein Künstler zeigt ihr Chaos. Alsbald meldet sich das Bewußtsein: diese Werke fordern die gegenständliche Betrachtungsweise heraus und verleiten selbst zur unkünstlerischen Einschätzung. Es ist nicht A . 4 % .Cf | f C t i *1 f * ® w | anders möglich: man muß vor diesen Bildern und Blättern an die Seele, nicht an die Kunst Berlins denken. Das zeitliche Dokument verdrängt die ästhetische Wertung/ und allmählich erst erkennt man, daß beide verschmelzen f: j » \ . * * 9 ’ * ‘ r wollen, daß beide zusammengehören. So darf man es ruhig vorausnehmen: das Können von George Grosz ist stark —das beweisen seine Farbenkomposition, seine Akt zeichnung und vor allem sein „Futurismus", der hoffnungs volle Größe hat, weil er endlich kühn in die Wirren des Gegenständlichen führt, nicht mehr in die der farbigen und linearen Empfindungswerte. Er kann vom Unsagbaren etwas sagen: er lenkt uns scheinbar zur Gestaltung des Gestaltlosen. ■ * • ^ * • . • 0 4 19** 4 fff * • . A ■ Aber dieser Meister des dinglichen Nebeneinander ist ein wurzelloses Kind oder ein wurzelloser Zögling von Neu-Berlin. Der Schrei der schwebenden Qual zwischen Untergängen ist sein Bestes und sein Schlechtestes. Un edle Trunkenheit des zynischen, kleinen Verzweifelns ist seine Welt. Furchtbare Einseitigkeit kennzeichnet diese Kunst — sie ist kein Bekenntnis des Wortes, des Ge dankens, sondern nur des stummen Bildes. Sie ist mit I | *4 • • , « * . * • grinsendem Schweigen da, sie deutet nichts — sie ist von sich selbst geschlagen. So scheint die Sphäre einer Millionenstadt, eines Ge meinwesens, das heute noch, wie ehedem, alle Kräffe des Landes fruchtbar zu machen weiß, in diesem Künstler kopfe nur von Kreaturen des Geldes, des Lasters, des Ver brechens bevölkert. Nur der Berliner Triebmensch ist belauscht. Alles schleppt sich unter den Peitschen Geld und Zeit. Alles fürchtet oder umgeht das Gesetz. Ein letztes Gieren vor dem Zusammenbruch, den taumelnden Wahn sinn des Marktgewimmels weiß ein von Visionen der Wirklichkeit Verfolgter auf die Leinwand zu bannen. Ein grotesker Tanz von Dirne, Verbrecher und Polizei. Eine unendliche Verkrüppelung aller Menschentypen. Dürftig keit der Steinwelt, keine Gottesatemwelt. Schiebertriumph über die Niederlage der Nation. Ein Schlag auf den Kopf des Betrachters, aber über allem auch das große Rauschen, das der Sinn des Berliner Markterfolges ist, die letzte Zuflucht birgt von Sehnsucht und Eigenwert. Tränen in den Augen, erinnert man sich: im Chaos des Nebeneinander, Dnrcheinander aller Mächte erlebtest du einst die eine, erkanntest sie wie niemals wieder: Jesus, Prometheus, Beethoven. (Georg Hirscßfefd.) * ✓