24 Es sind immer nur die Ändern,—weil man selbst ein wich^ tiges stabiles „gesund empfindendes" Mittelpünktchen ist. Gewiß ist viel Zerrüttendes in der Welt. Viel üble Folgen. Die lautesten Ankläger sind heute noch jener Welt- anschauung ergeben, die das Zerrüttende brachte. Sie alle sind schuldig an dem W ahnsinn dieser Zeit und können sich nicht rein waschen auf Kosten dieser unschul digen Anna Blume. Wenn späteren Generationen eine wahrheitsgetreue Schilderung des Geschehens der letzten Jahre überliefert wird, eine Schilderung, die alle Tollheit dieser Tage lebendig aufzurollen vermag, so wird die Atmosphäre sie entsetzen. Sie ist scheußlicher, als die meisten von uns wissen. Sie haben sich langsam in den Wahnsinn hineingewöhnt. Sie werden herumgewirbelt und finden keinen Abstand. Denken wir nun einen Künstler, der über den Dingen steht. Einen Künstler mit vibrierenden Nerven, der alles viel intensiver empfindet als andere Menschen. Denken wir, daß dieser Künstler sein Zeiterleben in seiner Seele noch steigert. Daß er es umsetzt in Schwin gungen gleichartiger Stimmung. Können da Wiegenlieder entstehen? Wenn spätere Generationen beides in sich aufnähmen, sie würden die Zusammenhänge erkennen. Die Zeitschilderung würde sie entsetzen. Die Dichtung würde sie erschüttern. Als Zeitdokument betrachtet wird Anna Blume nach hundert Jahren eine ergreifendere Sprache reden, als alle Geschichtsberichte es vermögen. Nach dreißig schon wird man die heutige Kritik in ihrer Stellung gegen Anna Blume empfinden, wie wir die Zeiten der Hexenprozesse.