62 Man war ja recht nett zu mir, als ich mich vorstellte, aber ich war ja auch sehr mutig und frisch. Erst wurde ich nicht klug daraus, was ich dort machen solle. Ich dachte, ich müsse den Wein servieren, und könne vielleicht, wenn die Gäste versorgt seien, in einer Ecke idyllisch sitzen und als ein Haustöchterlein sticken. Aber von alledem war nicht die Rede. Ich brauchte den Wein gar nicht an den Tisch zu brin gen. Hatte nichts anderes zu tun, als ihn selbst zu trin ken und dafür besorgt zu sein, daß mein Gast immer ein volles Glas habe, und daß es wieder leer würde, und dann wieder eingeschenkt. Und bei alledem mußte ich mich unter halten. Ich kann mich nur an die ersten Stunden der Unterhal tung erinnern. Nachher schwamm mir die ganze Stube sechsfach vor den Augen und meine Zunge kam mir ver rückt vor wie eine heiße Lawine, was es doch gar nicht gibt. Daß in solch einer kleinen rheinischen Bauernstube, mit niedrigen Butzenscheiben, biederen Holztischen und naiven Hockerln, soviel Dämonie stecken kann, hätte ich mir auch nicht träumen lassen ... Ich werde doch wieder hingehen; einzig um soviel Geld zu verdienen, daß ich meine gütige Zimmerwirtin nicht zu enttäuschen brauche. Vielleicht ist heut abend kein junger Vater da, dessen Frau soeben ein Kind bekommen hat, und mit dem ich dann „Liebfrauenmilch" trinken muß. Heut' abend ist vielleicht irgendein anderer da. Daß dieser junge Vater gerade mich aussuchte, um auf