142 Ich weiß nichts von ihrem Leid. War ja nicht dabei. Ich sehe nur, wie sie beim Gehen schwankt, und weiß: ein mal hat sie nicht geschwankt. Sie bleibt in ihrem Viertel. Manchmal geht sie einige Schritte auf und ab. Dann stellt sie sich wieder vor ihre Tür und wartet, wartet, wer kommt. Und ich weiß: ein mal ist sie selbst gekommen. Jetzt sehe ich sie oft sitzen vor ihrem Hause. Oh, ihre Enttäuschung hat sie lange überwunden. Sie ersehnt nichts mehr. Das ist es. Wo die Sehnsucht eingeschlafen ist, hat der Tod begonnen. Und diese Sterbende läßt mich leben, so leben. Wenn ich an sie denke, bin ich nur flammender Mensch. Und ihr fehlt das Bewußtsein, sie kann mich nicht mehr verstehen. Weiß nicht mehr, was ich von ihr will. Sie sieht mich mißtrauisch an, hält mich für eine Kon kurrenz, die ihr die armseligen wenigen Liebhaber wegneh men will. Diese Liebhaber, die nur im Dunkeln zu ihr kommen, weil sie nicht sehen wollen, mit wem sie es zu tun haben. Ach, sie glaubte, ich will ihr die fünfzig Pfennige weg nehmen, das bißchen dürftige Geld noch nehmen. Was versteht sie denn für eine Sprache, daß sie nicht mehr ver steht, jemand könne ihr dankbar sein; da doch niemand dankbar ist, der bei ihr schlief? Wie krank sie aussieht, und weiß nichts mehr von Krankheit und Gesundheit. Da ist es aus, alles bei ihr aus. Sie erschüttert sich nicht mehr, nichts kann sie mehr