185 Läßt Gott mich so allein gehen, weil ich nicht intensiv genug an ihn denken kann? Oft meine ich so. Aber wenn ich ihn auch nicht sehe und nicht genug von ihm weiß, so weiß doch er von mir. Sieht er denn gar nicht, wie ich hier herumlaufe? Wißen möchte ich, wo der Schutzengel meiner Kinder zeit hingegangen ist, weil ich ihn gar nicht mehr an mei ner Seite spüre. Ach, er wird vor Schreck weggegangen sein. Der arme, kleine Schutzengel, er wird sich vor mir gefürchtet haben. Ein Schutzmann könnte mich so leicht ins Polizeige wahrsam bringen. Mir träumte einmal, das sei der Stra ßenmädchenhimmel. Die Sittenpolizei hat mich noch nicht beobachtet, ob gleich ich nicht behaupten kann, ich sei ihr gar so sehr aus dem Wege gegangen. Wenn es mir einmal gelingen soll te, mich verständlich zu machen und mich zu beweisen, — vielleicht, so dachte ich schon —, könnte sie freundschaft lich zu mir stehen und das Beste wollen. Ich kann mein Unglück wohl legitimieren. Es ist der beste Ausweis, den ich habe. Was auf meinen Papieren steht, nämlich, daß ich Schauspielerin, Fabrikarbeiterin, Photographin usw. bin, das besagt nicht viel. Auch ist es nicht wichtig, zu wissen, woher ich gekommen bin. Was hat die geographische La ge meiner Herkunft, mein Geburtsort, mit meiner Hei matlosigkeit zu tun? Auch bin ich nicht Schauspielerin von Beruf, denn ich liebe nicht den falschen Schein, und mein einziger Beruf ist, das zu erlernen, was ich bin.