295 Ich dachte, sie tue es, um die Kälte zu empfinden, aber dann bot sie mir flüsternd an, doch gleichfalls auf ihrem Mantel zu knien. Ich aber hatte plötzlich das lebhafte Verlangen, auf dem Steinboden mich niederzulasien, in meinem dünnen blauen Batistkleid. Sehnsucht, die Kälte des harten Stein bodens in den Knien zu spüren. Diese Neigung überwand ich und blieb an Lianens Seite, auf dem langen Betsche mel kniend. Ich vermochte mich nicht sogleich zu sammeln. Sah Li- anes Gesicht, beschattet von den braunen, weich fallen den Federn ihres schwarzen Velvethutes. Dann verbarg sie das Gesicht in den Händen. Ich sah die Steine an ihren Ringen leuchten, und die Melodie aus dem „Walzer traum" hatte mich noch nicht verlaßen. Dann aber wirkte die Kirchenruhe wohltuend. Es kam mir vor, als rücke eine Beterin, zu meiner rech ten Seite kniend, ein wenig von mir ab. Ich kann es nicht mit Bestimmtheit sagen. Dennoch war ich unglücklich, daß ich es überhaupt bemerkte. Ich hätte viel darum gegeben, hätte ich in dieser Stunde nicht nach Nizzaveilchen geduf tet. Wenn aber hier sich das Wunder vollzieht, kümmert sich eine Beterin um Nizzaveilchen? Die meisten Frauen trugen Schürzen und Kopftücher. Bald hatte ich mein Batistkleid vergessen, hier ist es nicht wichtig, was wir für Kleider tragen. Die Aufopferung des göttlichen Leibes hatten wir nicht versäumt. Die Wandlung hatte noch nicht stattgefunden. Ich schlug das Kreuz, und dann war nur noch der Altar