bestreiten? Wer kann mit der Lüge die Wahrheit besie gen? Die Wahrheit ist ja unbegreiflich, unantastbar. In der Nacht liege ich vor der Wahrheit auf den Knien und bete an: „Ich werde sterben." Nur von diesem Grundgedanken aus werde ich mein Leben aufbauen können. Ich werde nur leben können, wenn ich innig an meinen Tod glaube, ihm nachfolge, bis ich nachstürze. Ich lebe meinem Tode nach. In der Morgendämmerung aber beginnt meine Furcht. Die Angst, daß ich am Tage den Glauben verlieren könnte. Das Tageslicht verführt mich zu einem Leben, das Lüge ist und Vergänglichkeit. Oh, daß ich durch alle Hinfällig keiten hindurch lieben könnte! Und am nächsten Abend bekenne ich dem Tode meine Untreue: „Am Tage habe ich nicht an dich geglaubt. Ich habe dich verleugnet. Ich will in Zukunft mir Mühe geben, an dich zu glauben. Bevor du mich in deine Arme genommen hast, erfülle mich immer mehr. Vertiefe den Glauben, die Wahr heit selbst: durch den Tod werde ich leben. Laß mich ster ben, auf daß ich lebe." Meine Kolleginnen kommen manchmal in der frühe sten Morgenstunde, um vier Uhr, um nach mir zu sehen. Sie umstehen mein Bett und sind noch in ihren bunten Abendkleidern. Im ersten Augenblick erscheinen sie mir fast zu grell, und ich weiß nicht recht, träume oder wache ich. Wenn mir 2i Hennings, Brandmal 321