22 kefne Raison annahm! Man hat doch Erziehung! Man ist doch kein Schubiack! Man hat doch, zum Teufel, die Welt gesehen! Herr Häsli hatte indessen gut denken! Er war ein Faulenzer, ein Nichtstuer, er hatte sich immer nur den Magen gestopft und die Frau schuften lassen. Beim Norddeutschen Lloyd war er Steward gewesen. In unterschiedliche Phonographen hatte er gejodelt zu Berlin und Paris. War auch mal II. Klasse gefahren, von Potsdam nach Wien, eines Phonogramms wegen. Aber was schon! Das war vor Jahren, als er die Stimme noch hatte. Das war vorbei. Jetzt hatte sie, Lotte Häsli, ihn durchzuschleppen. Wie ein Lastvieh kuranzte er sie. Immer singen und singen. Bei zwanzig Grad Kälte in den eiskalten, verschmierten, kleinen Hotels. Tagaus, tagein. In Bern: dreissig Nummern an einem Sonntag, von nachmittags drei bis nachts elf. Sie hatte es durchgemacht. Sie hatte genug. Sie kannte die Herren Direktoren. Aus war’s. Sie wollte nichts mehr wissen davon. Wenn einer ihr nur in die Nähe kam — genügte schon, dass er ein Manns kerl war — fuchtig wurde sie. Die Hand weg! Wenn man nicht einmal ordentlich zu essen kriegen sollte bei solchem Betrieb, ja geschuhriegelt wurde — im mer nur singen und singen und etwa noch Schläge — lieber den Strick um den Hals! Frau Häsli hatte zu essen nicht nachgelassen. Mit Messer und Gabel hantierte sie eifrig. Zwei schwarze Löckchen fielen ihr zier und adrett, schwarze Bocks hörner, leicht in die Stirn. Diese Stirn, eigensinnig, gedrungen, von einer kurzen, nur schlecht verheilten Narbe gezeichnet, war nicht eben hässlich.