88 Güssy aber, die im Nu, zurückbleibend, die Chancen des kommenden Streits berechnet hatte, langte sich ihre Beinkleider und zog sieh an, fieberhaft. Ihr Tem perament war stiller, phlegmatischer, heiss. Aber so viel wusste sie: Angekleidet würde sie bei einem Streit vor ihren im Hemd stehenden Rivalinnen im Vorteil sein. Der Streit liess nicht auf sich warten. Unter der Türe zwischen Esszimmer und Küche begegneten sich Traute und Rosa. Die eine mit den Stiefeln, die andere mit Bürste und Creme. Güssy knöpfte sich gerade die Spangenschuhe zu. „Gib die Stiefel her!“ rief Rosa, „sie gehen dich nichts an! Ich bin länger im Hause als ihr!“ Sie wollte sich gerade heute ein Vorrecht nicht nehmen lassen, auf das sie früher gerne verzichtete. Aber Traute dachte nicht dran, die Stiefel aus der Hand zu geben. „Hast du sie gestern gewichst? Hast du sie vor gestern gewichst? Verstehst du überhaupt was davon? Fütter’ deine Tauben!“ Güssy lachte. Aber Rosa hatte keine Lust zu weit schweifigen Auseinandersetzungen. „Gib sie her!“ rief sie entrüstet und klopfte der Traute die Wichsbürste auf die Nase. Güssy kam näher aus dem Lattcnverschlag, lachend. Die Stiefel fielen zu Boden. Die Wichsbürste ebenfalls. Die Creme rollte unter den Schrank. Traute und Rosa kriegten sich bei den Haaren. In diesem Moment aber klopfte es und herein trat: Frau Schnepfe aus Basel. Sie war mit dem Frühzug her