107 -4. Versammelt waren bereits sämtliche Damen von Ruf. Vorne am Künstlertisch, wo sie heute nicht gerne gesehen war, sass Fräulein Amalie in braunem Samtkostüm mit Bolerohut, schon iseit halb acht. Den Zwergpintscher hatte sie auf den hohen Busen gesetzt. Das gab ihr viel Air. Ihre Beine, elast ische Sägmehlbeine, baumelten unter den Tisch, und sie spielte mit einer der Hängrosenranken. Eine Zi garette rauchte sie. Ihr Verhältnis war Eisenbahner; heute hatte er Nachtdienst. Brillanten blitzten an ihren Fingern. Die spitzigen Halbschuhe aus feinstem Rinds leder reichten nicht ganz auf den Boden. Auch schien das 1 Strumpfband gerissen: die braunen .Wollstrümpfe knäulten Sich unter den Waden. Das Hündchen aber auf seiner exponierten Stelle drehte den knappen Popo und konnte sich gar nicht genugtun vor Freude, dabei zusein. Weiter drüben, auf den besten Mittelplätzen, sassen der runzliche ,Totenkopf' und seine Schwester. Der ,Totenkopf' war die berufenste Dame\der Fuchsweide. Allabendlich Gast des Flametti-Ensembles. Weiss ge schminkt, die Augenhöhlen gerötet, sass ihr Gesicht auf dem kropfigen Hals. Unruhig schob sie das Hinter quartier auf dem Stuhl hin mnd her, blickte sich um nach den eintretenden Gästen, band sich das Strumpf band fester und schob währenddessen den sechsten Kuchen zwischen das goldne Gebiss. Sie konnte sich’s leisten. Die Schwester des ,Totenkopf' hatte das Leder täschchen über die Stuhllehne gehängt, tupfte die rote Nase ein wenig mit Puder und Taschentuch, und juckte sich mit dem linken Fuss an der abgewetzten Innenseite des rechten Knies.