3 4 und mehr als amerikanisch, wir wollen gänzlich respekt los sein, die schönste Vergangenheit soll uns nicht binden! Der alte Staat und die Wirtschaftsformen verändern sich unter dem Anmarsch der Arbeiterklasse: unsere Auf gabe ist es, die entsprechenden Wirklichkeiten des geisti gen Lebens, der sogenannten Wissenschaften und Künste auf den Stand der Gegenwart zu bringen. Warum können wir heute keine Bilder malen wie Boticelli, Michelangelo oder Leonardo und Tizian? Weil sich der Mensch in unserem Bewußtsein vollkommen verändert hat, nicht nur weil wir Telefon und Flugzeug und elektrisches Klavier oder die Revolverdrehbank haben, sondern weil unsere ganze Psychophysis durch die Erfahrung umgewandelt ist. Wir haben nicht mehr das Gefühl der beschränkt-indivi duellen Wichtigkeit eines Menschen, wie er im Mittel- alter in einer engen Stadt lebte, mit einem Etwas von Himmel über sich, das gerade auf dem Bilde des Künst lers Platz hatte — wir durchmessen im Flugzeug den Äther und sind zu kleinen Punkten im unbegrenzten Raum geworden, den zu schildern die Perspektive nicht mehr ausreicht. . . Lassen wir sie vergangen sein! Wer Schönheit braucht, gehe ins Museum! Aber machen wir kein Plagiat, es kann nicht mehr unsere Aufgabe sein, den schönen Menschen zu verherrlichen, der naive Anthro pomorphismus hat seine Rolle ausgespielt. Die Schön heit unseres täglichen Lebens wird bestimmt durch die Mannequins, die Perrückenkünste der Friseure, die Exakt heit einer technischen Konstruktion! Wir streben wieder nach der Konformität mit dem mechanischen Arbeits prozeß: wir werden uns daran gewöhnen müssen, die Kunst in den Werkstätten entstehen zu sehen! Unsere Kunst, das ist schon heute der Film! Zugleich Vorgang, Plastik und Bild! Unübertrefflich! Dies ist der Mechanismus des kleinen, sentimentalen Lebens — wir aber wollen uns von diesen Dingen nicht mehr berühren lassen als von den Selbstverständlichkeiten des Arbeitens, des Regnens, der Mückenstiche und der sonntäglichen Betrunkenheit, die dem Puffke die Welt der Erscheinungen erst beweglich macht, während für uns diese Schönheit nur die Kunst vorstellt, tot zu sein: wenn man ein lebendiges Ding in eine starre ruhende Form faßt, es tötet, so wird es mit Fug und Recht unsterblich sein. Wir aber wollen leben und sterben, wir wollen uns von der geheimnisvollen Dimension, von unserem sechsten Sinn Bewegung um herschleudern und zerreißen lassen! Damit uns bewußt sei, daß wir leben, heute leben!! Und so wollen wir denn zuerst den starr auf ein Ding zusammengefaßten Blick auflösen, weil unser durch die Wissenschaft er weiterter Blick rund und voll geworden ist, weil wir historisch alle optischen Möglichkeiten in unsere Seh weise aufgenommen haben und nun in der Optik weiter schreiten bis zu den Grundphänomenen des Lichtes. Wir lieben das Licht und seine Bewegung!! Und die Wissen schaft zeigt uns die Möglichkeit der freiwilligen Hergabe der dem Atom innewohnenden Kräfte! Alles zu seiner Zeit! Masaccio, Filipo Lippi, Castagno, Piero della Fran- cesca, Manlegna, Melozzo Daforli haben die Entdeckung der Welt für den Menschen ihrer Zeit geleistet, das Porträt und die Charakterdarstellung, die Fortführung des Illusionismus der Griechen. Die nächste Epoche der optischen Erweiterung war der Impressionismus. Seine direkten Nachkommen waren die Futuristen, die kühnen Erneuerer unserer optischen Anschauungen. Denn die Perspektive des fünfzehnten Jahrhunderts ist nicht mehr als eine technische Hilfskonstruktion; wer wollte die Ein drücke des heutigen Menschen, den ewigen Wechsel der Großstadtstraße im Licht, mit diesem Mittel darzustellen sich unterfangen. Diese Straße mit ihrer Hast und Be wegung, worin die Perspektive nur ein abstrahierter, kein wirklicher Teil ist? Wir wollen aus den futuristischen Analysen und über die Plagiatoren der mittelalterlichen Meister hinweg zu der uns angemessenen Optik. Denn: was ist die Kunst? Nonsens, wenn sie uns nur ästhe tische Regeln liefert, uns zwischen der Geographie der Großstadt, der Landwirtschaft, den Apfeltorten und den Frauenbusen mit Sicherheit zu bewegen! Wir fordern die