2. Berlin, NovT1914 Ich lese jetzt Krapotkin, Bakunin, Mereschkowsky. Vierzehn Tage bin ich an der Grenze gewesen. In Dieuze sah ich die ersten Soldatengräber. Im eben beschossenen Fort Manonvillers fand ich im Schutt einen zerfetzten Rabelais. Dann fuhr ich hierher nach Berlin. Man möchte doch gerne verstehen, begreifen. Was jetzt losgebrochen ist, das ist die gesamte Maschinerie und der Teufel selber. Die Ideale sind nur aufgesteckte Etikettchen. Bis in die letzte Grundveste ist alles ins Wanken geraten. * P. und der intimere Kreis seiner Redaktion sind überzeugte Kriegsgegner und Antipatrioten. Sie wissen offenbar mehr als einer, der sich bis dahin mit Politik nicht beschäftigt hat. Warum soll ein Land sich nicht verteidigen und für sein Recht kämpfen dürfen? Nur freilich scheint es auch mir mehr und mehr, daß Frankreich und vor allem Belgien dieses Recht in An spruch nehmen dürfen, und soweit geht mein Patriotismus nicht, daß ich den Krieg auch um ein Unrecht gutheißen könnte. * Kant — das ist der Erzfeind, auf den alles zurückgeht. Mit seiner Erkenntnistheorie hat er alle Gegenstände der sichtbaren Welt dem Verstände und der Beherrschung ausgeliefert. Er hat die preußische Staatsraison zur Vernunft erhoben und zum kate gorischen Imperativ, dem sich alles zu unterwerfen hat. Seine oberste Maxime lautet: Raison muß a priori angenommen werden;