Die Kulisse. 21 Sie vergleichen die Forderungen der sozialen Revolution mit den Einrichtungen der byzantinischen Orthodoxie. Soweit sie rebellieren, berufen sie sich auf das Neue Testament. Sie betrachten es als ein revolutionäres Buch. Gegen den Vater erhebt sich der Sohn. Sie fassen Christus als Nihilisten auf. Als Sohn, als Rebell, muß er Antithesen setzen. Ihr Konflikt mit der Orthodoxie erinnert an gewisse Erschei nungen des 16. Jahrhunderts, Münzer z. B., mit dem Unter schied, daß die Reformation die Menschheit Christi als Autorität verkündete, während die Russen die Gottheit Christi im Volke sehen, gekreuzigt von einer autoritären Institution. Stellenweise (so bei Tschaadajew, bei Dostojewsky, Solovjew, Rosanow) tritt der Versuch einer neuen Interpretation der Dogmen auf. Die meisten dieser Rebellen sind eigentlich ketzerische Kirchenlehrer. * Die Position Mereschkowskys und seiner Freunde ist spitz findig und gewiß auch nicht populär. Es ist fraglich, ob ihr Ge danke breiten Kreisen plausibel zu machen ist. Ja es ist die Frage, ob eine ,theologische Revolution* nicht ein Widerspruch in sich selber ist. Das letzte Wort am Kreuze heißt: ,Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist.* Immerhin: das Verhältnis Vater—Sohn ist hier mächtig heraus gearbeitet und produktiv. Im Westen ist keine Produktivität mehr möglich, ehe Glaubenskämpfe und letztliche Bedenken wieder aufleben. Der große Unterschied: dort ist der Zar seit hundert Jahren das apokalyptische Tier. Hier gilt das Volk dafür und wird auch so behandelt.