30 Die Kulisse. 15. VI. Die Anarchisten stellen die Verachtung des Gesetzes als ober stes Prinzip auf. Gegen das Gesetz und den Gesetzgeber ist jedes Mittel recht und erlaubt. Anarchist sein, heißt also die Satzung aufheben in allen ihren Beziehungen und Bezügen. Vor aussetzung ist der Rousseau’sche Glaube an die natürliche Güte des Menschen und an eine immanente Ordnung der sich selbst überlassenen, ursprünglichen Natur. Alle Zutat (Lenkung, Leitung) ist als Abstraktion vom Übel. Dem Staatsbürger werden die Ehrenrechte aberkannt. Er ist naturwidrig, ein Produkt seiner Ent wurzelung und der ihn noch weiter pervertierenden Polizei. Mit solcher Theorie bricht der staatsphilosophische Himmel in Stücke. Die Sterne gehen im Zickzack. Gott und der Teufel vertauschen ihre Rollen. * Ich habe mich genau geprüft. Niemals würde ich das Chaos willkommen heißen, Bomben werfen, Brücken sprengen und die Begriffe abschaffen mögen. Ich bin kein Anarchist. Je länger und weiter ich von Deutschland entfernt sein werde, desto weniger werde ich es sein. * Den Anarchismus verdankt man der Überspannung oder Ent artung der Staatsidee. Er wird sich besonders dort zeigen, wo Individuen oder Klassen, die in idyllischen, innig mit der Natur oder der Religion verbundenen Bedingungen aufgewachsen sind, in strengen staatlichen Verschluß genommen werden. Die Über legenheit solcher Individuen über die Konstruktionen und Mecha nismen eines modernen Staatsungetüms liegt auf der Hand. Zur natürlichen Güte des Menschen ist zu sagen: daß sie zwar mög lich, aber durchaus kein Gesetz ist. Meistens zehrt diese Güte von einem mehr oder minder bewußten Schatze religiöser Er ziehung und Tradition. Die Natur, ohne Vorurteil und Sentimen-