Das Wort und das Bild. 121 jedem Moment mit der Illusion konfrontieren: das ist der Triumph der Grazie. Ich liebe meine Nation wie keine andere, ich weiß mich im 29. IX. Kern darin unübertroffen. Aber ich liebe doch meine Unarten und meine Entstellungen nicht. Was wäre das auch für eine Affen liebe! Wenn die Entstellung aber zur zweiten Natur geworden ist —, wie wird man sie anders ausmerzen als durch eine eiserne unentwegte Kontrolle und Zucht? Oft will es mir scheinen, als empfinde ich diese Schwierigkeit ganz allein, und kann und mag dies doch nicht annehmen. Auch verhehle ich mir keineswegs die Gefahr meines Bemühens. Ich werde die ganze Meute derer gegen mich haben, deren Interessen sich in meiner Interesse losigkeit spiegeln. Hebbel in seinen Tagebüchern meint, daß der Jude mit einem energischen Aufwand von freiem Willen seine ihn von der Ge sellschaft trennenden Eigenheiten abstreifen und so mit Leichtig keit Mensch werden könne wie alle anderen. Das Deutschtum, wie alle Welt es als eine Besonderheit kennt, als eine gezüchtete Bildungs- oder Verbildungsangelegenheit, als ein der normhaften Humanität widerstrebendes Kunstprodukt: sollte diese Art Deutschtum so tief den Wesenskern jedes Einzelnen von uns beherrschen, daß die Spuren davon unvertilgbar sind? Das ist doch nicht anzunehmen. * ,Mensch werden ist eine Kunst/ (Novalis) * ,Die Leute, die die Sommeschlacht machen', sagt Emmy, 1. X. ,können keine inneren Kämpfe haben. Das ist so eingeteilt.' Sie hält die Sommeschlacht für die wirkliche Hölle, von der pro-