140 Das Wort und das Bild. Grundgedanke von der ,Unzulässigkeit eines Gewissenszwanges durch staatliche Gemeinwesen' ist indessen schon auf dem Reichs tag von Speyer zum Ausdruck gekommen. Man verwahrt sich dagegen, in Glaubensdingen durch Mehrheitsbeschlüsse gebunden zu sein. * Wer weiß noch, daß Gedanken töten, daß sie unglücklich machen, ja Verzweiflung bringen können? Und wenn man ein ander widersprechende Gedanken in sich trägt, daß sie dann zerreißen? Wer hat sich soviel Freiheit bewahrt, über das Morgen nicht entscheiden zu können, weil irgendein Gedanke, von Men schen ganz zu schweigen, den Weg kreuzen und alle Aspekte verändern kann? Die wenigsten Denker haben nach ihren Ein sichten zu leben versucht. * XI. ,Man kommt beim Deutschen', sagt Nietzsche, ,beinahe wie beim Weibe niemals auf den Grund, er hat keinen: das ist alles. Aber damit ist man noch nicht einmal flach'. Ich habe über dies Wort oft und lange nachgedacht. Des Rätsels Lösung scheint mir diese zu sein: daß natürliche, naturhafte Menschen und Nationen überhaupt kein Gesicht haben. Daß ihnen der Geist und die Form erst ein Gesicht verleihen, und daß in Deutschland dieses Gesicht mit dem Ablauf der Re formation mehr und mehr zur Maske wird. Nietzsche, der das natürliche Gesicht der Nation entdeckte, war notwendig ein großer Psychologe, und er konnte keinen Grund des Deutschtums finden, weil die Natur als solche eben keinen Grund hat. * An Schickele: ,Wenn Sie Bakunin herausgeben —: darf ich das machen? Ich glaube, niemand kann das so gut wie ich. Er beschäftigt mich seit Jahren. In Deutschland kennt man ihn