Das Wort und das Bild. 175 alles, was einzelne edelgeartete Menschen an Schönem und Gutem ersinnen, stets nur Romantik und Arabeske bleiben. * Die beispiellose Kindlichkeit und Zucht der neuen Kunst ver- 20. VI. dankt sich nicht bewußten, sondern visionären, zukünftigen Stil elementen. Es ist ein Bestreben da, den innersten Rahmen, das letzte Gefängnis der geistigen Person zu erfassen. Die Entwürfe rühren an jene prophetische Linie, die den Wahn begrenzt. Zwischen dieser Sphäre und der greisenhaften Gegenwart liegt eine ganze (soziale, politische, kulturelle und sentimentale) Welt, auf deren Vorstellungen der Künstler verzichtet. Der Kampf gegen die daher rührenden Phantasmen ist seine Askese. * Ein von der Felswand bröckelndes Steinchen genügt, um Ursprung von Legenden und Sagen zu werden. Der Hirtenjunge wird nicht das abbröckelnde Steinchen malen, sondern ein Mär chen erzählen. Ganz folgerichtig wird der moderne Künstler ver meiden, den Anstoß seiner ästhetischen Gebilde mit in das be zeugte Erlebnis einzubeziehen. Er wird nur die Schwingung, die Kurve, das Resultat mitteilen, den Anlaß aber verschweigen. Er wird nur seine innere Ruhe und Harmonie wieder herzustellen suchen, nicht aber den Erreger darstellen (das wäre Wissen schaft, keine Kunst). Es hängt dann von der inneren Konstitution ab, ob der künstlerisch Begabte gleich dem Irren nur sinnlose Gesichts- und Gehörshalluzinationen mitteilt; ob er bei starkem sozialem Empfinden Gebilde schafft, die ein beziehungsreiches Gesetz erfüllt; oder ob er wie der Heilige, der nur im Einklang lebt, den Einklang weiterbildet. Hirngespinste und Romantik können die Folge sein, aber auch klassische Werke und neue Glieder am mystischen Leib. Das aufnehmende Innere kann rein oder unrein, verworren oder klar, verrucht oder heilig sein. *