198 Von Gottes- und Menschenrechten. sein. ,In Hinsicht ,auf Gott/ meint er, ,kann der Begriff der Zahl keinen Sinn haben, weshalb man nicht sagen kann, daß es nur einen Gott gibt'. Wenn ich ihn recht verstehe, ist dieses sein Leiden, daß er zwar nicht Gott, aber den Künstler als den Schöpfer betrachtet, und zwar jeden einzelnen als einen besonderen Schöpfer. Das ergibt einen Polytheismus. Da er die Persönlichkeit als Begren zung verwirft und als eine Verführung zum Egoismus empfindet, liegt ihm daran, die Persönlichkeit des Schöpfers und den Schöpfer selbst zu bestreiten. Die Schönheit verführt ihn, Schöpfer und Egoist zu sein; also wird sie als feindselig empfunden. * Mir scheint übrigens: auch das Denken kann eine Kunst und den Kunstgesetzen untergeordnet sein: falls man seine Aufmerk samkeit dahin lenkt, gewisse Gedanken und Gedankenreihen aus zuscheiden; Grenzen zu ziehen; nur gewissen Wahrnehmungen Raum und Stoff zu geben, andere aber zu vermeiden. Gott wird nicht anders die Welt erschaffen haben. Er ist der Artifex in fcerson; die Künstler machens ihm nur nach. Es ist wie in den anderen Künsten so auch im Denken ausschlaggebend, was man weggelassen und nicht genannt, auf welche Weise man sich ab gegrenzt hat. Nur so tritt die Eigentümlichkeit hervor. * * IX. In den „Weißen Blättern“ ein Aufsatz „Das Erlebnis der Zeit und die Willensfreiheit“. Der Aufsatz handelt von Bergson. Mit dessen Begriff der ,intuition creatrice' kann ich gar nichts mehr anfangen. Die Intuition als schöpferisches Prinzip: das scheint mir eine unmögliche Position. Ich kann die Intuition nur als ein Wahrnehmungsvermögen verstehen. Sie kann nach oben oder nach unten, auf die Natur oder auf den Geist gerichtet sein.