254 Von Gottes- und Menschenrechten. individuellen Christusinkarnationen wegen, die bei Zinzendorf und Lavater auftreten). Seit 1817 hält G. die Kirche für ein für das Volk notwendiges Institut (Bildungsesoterik wie auch bei Herder). Als ,Söhne Gottes' können wir Gott in uns selbst an beten. Goethe ist religiöser Autodidakt, der nur dem Zeugnis seines eigenen Gewissens folgen will. Wo Christus in der Kirche als Offenbarungsprinzip steht, dort steht für ihn die offenbarende Natur. Er will Christus anbetende Verehrung entgegenbringen, aber der Sonne ebenso (Gleichsetzung von geistiger Weihe und Natur, und damit Entweihung oder Natursakramente). Im Hei ligen sieht er das dem Menschen sich verkündende Göttliche; aber das Kriterium des Heiligen ist die Erfahrung: das Heilige ist dort, wo es Erlebnissen, Dingen und Menschen gegenüber nur all gemeine Zustimmung, Beifall, Hingebung gibt. Unter den Attri buten des Göttlichen erscheint auch das ,Allerheiternde'. Den biblischen Begriff des lebendigen Gottes' legen Goethe und Herder im Sinne des aristotelisch-spinozistischen Welt bewegers aus. Gegen Jacobis Schrift von den „Göttlichen Dingen und ihrer Offenbarung“ (1812), insbesondere gegen Ja cobis Satz: die Natur verberge Gott, empfindet G. eine heftige Abneigung. Immer wieder erscheint die Gleichsetzung von Gott .und Natur (eine groteske Idee, wenn man die neueren ökonomi schen, darwinistischen und psychoanalytischen Theorien ver gleicht). Er rettet sich, Jacobi gegenüber, in sein altes Asyl, Spinozas Ethik: die Natur handelt nach ewigen, notwendigen, un verbrüchlichen Gesetzen; gerade darin bestätige sich Gott. Aus der Zeit seiner Loslösung vom Christentum rührt Goethes Entdeckung des Dämonischen, als eines Gegenpols zur sitt lichen Weltordnung, her. Das Dämonische gilt ihm indessen nicht als eine verneinende, sondern als eine durchkreuzende Macht. Im Menschen ist es das Titanische (Faust), in der Natur das Regel